Zeitgenössische Kunst:Die Segel sind gesetzt

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"Dumme Kiste": Mit Kupfer und Filz begegnete Joseph Beuys dem Minimalismus. (Foto: Haydar Koyupinar)

Zur Ausstellung "Schiff Ahoy" im Museum Brandhorst

Von Evelyn Vogel, München

Man möchte meinen, das Museum Brandhorst hat in den sieben Jahren seit der Eröffnung schon einen guten Teil seiner Sammlung gezeigt. Doch weit gefehlt. Zum einen, weil die erste Sammlungsschau verhältnismäßig lange und kaum verändert präsentiert wurde und die Sonderausstellungen der zurückliegenden Jahre thematisch begrenzt waren. Zum anderen, weil Anette und Udo Brandhorst seit den Siebzigerjahren mehr als 1000 Werke des 20. und 21. Jahrhunderts zusammengetragen hatten und zudem weiterhin neue Stücke angekauft werden.

Kuratorin Patrizia Dander konnte daher durchaus aus dem Vollen schöpfen, als sie sich unter dem Titel "Schiff Ahoy" vorwiegend den Beständen des Minimalismus und des Post-Minimalismus, der Arte Povera und der Konzeptkunst aus den Sechziger- und Siebzigerjahren zuwandte. Etwa 250 Arbeiten oder Werkgruppen, von denen mehr als zwei Drittel noch nie zu sehen waren, werden nun über einen längeren Zeitraum ausgestellt. Darunter beispielsweise auch eine frühe Arbeit von Frank Stella, mit der er die Prinzipien des amerikanischen Minimalismus beschrieb und die in der Ausstellung das Kapitel prägt "Was man sieht, ist, was man sieht". Eine Arbeit auch, die bislang unausgepackt im Depot stand.

Für die überwiegend sehr schöne Inszenierung von Heimo Zobernigs minimalistischen Objekten kamen ebenfalls Stücke aus dem Depot zum Einsatz: die Verpackungskisten der Skulpturen Cy Twomblys, die zusammen mit Bildwerken seit vergangener Woche im Obergeschoss zu sehen sind. Eine ungewöhnliche, durchaus originelle und sehr pragmatische Lösung des Sockel-Problems, das alle Ausstellungsmacher beschäftigt. Das einzige, was in diesem Kapitel "Theater und Theatralität" stört, ist, dass einige der filigranen Skulpturen ihrer Fragilität wegen unter dickes Glas verpackt werden mussten.

Die Raumgruppierungen dieser Ausstellung sind überwiegend schlüssig, so dass die Arbeiten im Zusammenspiel neue Aspekte eröffnen. Wo die einen schwer didaktisch daherkommen, gehen andere mit einer ironischen Leichtigkeit ans Werk. Das zeigt schon der erste Raum, wo drei Österreicher - Nitsch, West und Zobernig - aufeinandertreffen. Interessant zu beobachten, welche Besucher sich trauen, auf dem erst kürzlich erworbenen Werk von West und Zobernig "Sitzgruppe Heimo" Platz zu nehmen.

Den Bogen vom Gestern zum Heute schlägt die Ausstellung mit dem titelgebenden Werk "Schiff Ahoy - Tied to Apron Strings" von Lawrence Weiner von 1989, dessen Collageserie auf Buchseiten der "Siegesfahrt der Bremen" von 1940 basiert und die Glorifizierung jener Zeit, aber auch einer späteren hegemonialen Weltordnung konterkariert.

Auch einzelne Werke ragen aus der Schau heraus, wie die von Mario Merz aus dem Jahr 1969, in der man vieles und alles sehen kann, die den Betrachter aber abseits von jeglicher figurativer, gegenständlicher Interpretation unmittelbar gefangen nimmt. Mit der Einzelarbeit von Charline von Heyl aus dem Jahr 2015, die gleich im Flur nach dem Eingang hängt, gibt die Kuratorin jedoch ein Statement ab - weiblich, zeitgenössisch, malerisch -, das innerhalb der Schau nur bedingt eingehalten werden kann. Dort regieren überwiegend jene, die die Kunstgeschichte über viele Jahrhunderte beherrschten: die Männer. Es wäre spannend zu sehen, ob sich in der Sammlung Brandhorst auch ein roter Faden weiblicher Ästhetik entdecken ließe. Vielleicht reizt dies als Aufgabe für die kommenden sieben Jahre.

Schiff Ahoy - Zeitgenössische Kunst aus der Sammlung Brandhorst, Museum Brandhorst, Türkenstraße 19,Di-So 10-18 Uhr, Do bis 20 Uhr, bis 23. April 2017

© SZ vom 18.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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