Zauberei und Kino:Okkulter Hokuspokus

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Als "Hitler-Hellseher" wurde der Hochstapler und Hypnotiseur Hanussen (Klaus Maria Brandauer) berühmt. (Foto: Imago)

Für die Reihe "Zauberkunst und Film" kooperiert das Filmmuseum mit Münchner Magiern. Zum Auftakt befasst sich Markus Laymann mit der historischen Figur "Hanussen"

Von Barbara Hordych

Wann wird ein Zauberer zum Scharlatan? "Wenn er behauptet, dass das, was er tut, echt ist", sagt Markus Laymann. Der Münchner Rechtsanwalt bezeichnet sich selbst als "ehrlichen Magier", mit einem Faible für Zauberhistorie. Eingehend beschäftigt hat er sich unter anderem mit dem Schicksal von Hermann Steinschneider, eines 1889 in Wien geborenen Juden, der in der Anfangszeit der Weimarer Republik unter dem dänisch klingenden Künstlernamen Erik Jan Hanussen berühmt wurde. Dem neuen Reichskanzler sagte der "Hitler-Hellseher" eine große Zukunft voraus, er gelangte zu Geld und Ruhm, bis er 1933 von einem SA-Kommando in einem Wald in Berlin erschossen wurde.

Zum Auftakt der Reihe "Zauberkunst und Film" am 19. September im Filmmuseum wird Laymann anlässlich von Istvan Szabos Film "Hanussen" mit Klaus Maria Brandauer in der Titelrolle eine Einführung geben in die Biografie dieses Mannes, den er einen "gefallenen Engel" nennt. In den Zwanzigerjahren war Hanussen Deutschlands berühmtester Zauberkünstler, der in seinen "Experimental-Vorträgen" im Berliner Varieté "Scala" vor täglich 5 000 Zuschauern deren Gedanken las und in die Zukunft sah. "Zu ihm kamen Eltern, die nach dem Ersten Weltkrieg wissen wollten, lebt mein verschollener Sohn noch?", erklärt Laymann. Denn er behauptete von sich, wirklich "hellsehen" zu können. Und man glaubte ihm nur zu gerne. Die esoterische Zeitung, die er als Hanussens Bunte Wochenschau herausgab, erreichte mitunter gar eine höhere Auflage als das Massenblatt Gartenlaube.

"Doch dann hat er sich mit den Nazis verbrüdert, die waren ja auch teilweise esoterisch verblendet, wie man etwa von Himmlers Hexenkult weiß", sagt Laymann. Zu den Gästen seiner opulenten Feste, unter anderem auf der im Volksmund sogenannten "Yacht der sieben Sünden", zählte insbesondere sein enger Freund, der SA-Führer von Berlin-Brandenburg (und spätere Berliner Polizeichef) Wolf-Heinrich Graf von Helldorf. Helldorf war nicht nur dem Okkulten zugeneigt, sondern auch spielsüchtig. Großzügig lieh Hanussen ihm und anderen Geld, der SA machte er Sachspenden. "In seiner Zeitung veröffentlichte er der NSDAP gefällige Prophezeiungen, er förderte und unterstützte ihren Aufstieg und begrüßte ihre Machtergreifung", sagt Laymann.

Bis er dann wohl einen Schritt zu weit ging. 1933 hatte er sich in Berlin einen "Palast des Okkultismus" eingerichtet, in dem er auch über versteckte Abhörsysteme verfügte. "Die ganze Villa war verkabelt, dazu hatte er ein ausgeklügeltes System an Zuträgern und Spitzeln", sagt Laymann. Dort bot er seinen Gästen am 26. Februar 1933 eine spektakuläre Voraussage: Der Reichstag würde brennen. "Wahrscheinlich war er durch seine Hinterzimmerspielereien zu dieser Information gelangt, genau lässt sich das nicht mehr sagen", so Laymann. Einerlei woher - die Information stimmte. Am Folgetag brannte der Reichstag - knapp vier Wochen später später wurde Hanussen tot im Wald aufgefunden.

"Motive gibt es vielerlei", sagt Laymann. In Betracht kämen neben zu viel Insider-Informationen die hohen Spielschulden von SA-Funktionären bei Hanussen. Aber auch die Tatsache, dass 1933 seine jüdische Herkunft bekannt wurde, machte freundschaftliche Verbindungen zu ihm für SA-Größen zu einem heiklen Politikum.

Ein spannender Stoff, gewiss. Den der ungarische Regisseur István Szabó 1988 mit Klaus-Maria Brandauer inszenierte, in einer historisch sehr freien Fassung, in der Hanussen weder Jude noch Scharlatan ist, sondern eher als Märtyrer gezeigt wird. Durch eine - fiktive - Kopfverletzung im Schützengraben sei Hanussen zu seiner hellseherischen Gabe gekommen, wird im Film suggeriert. Dabei war schon Zeitgenossen klar, dass Hanussen mit Tricks arbeitete.

So kam es 1930 im tschechischen Leitmeritz zu einem Prozess, der Hanussen in der Folge erst richtig berühmt machen sollte. Durch seine vermeintlich hellseherischen Fähigkeiten hatte er die Kläger unter anderem zu finanziellen Investitionen animiert, durch die sie ihr Geld verloren. "Es kam aber zu einem spektakulären Freispruch, weil die Richter befanden, wer so schwachsinnig sei, an Hellseherei zu glauben, sei selber schuld", sagt Laymann.

Ihn selbst interessieren neben der tricktechnischen Seite insbesondere die psychologischen und philosophischen Aspekte der Täuschungskunst. Beim Hanussen-Abend wird er deshalb auch einige mentalmagische Tricks zeigen und erklären. "Schon damals war beispielsweise das ,Muskellesen' bekannt". Wie funktioniert das? "Wenn Sie jemanden im Publikum bitten, einen Gegenstand irgendwo am Körper zu verstecken, können Sie das auch mit verbundenen Augen erfühlen, wenn sie der Person die Hände auf die Schulter legen und geringe Änderungen der Muskelspannungen verfolgen". Übrigens hat sogar Hanussen selbst einige seiner Tricks verraten. Und trat in selbstproduzierten Filmen als Telepath auf. Etwa in "Hypnose" (1919), aus dem am Mittwoch ebenfalls ein Fragment zu sehen ist.

Hanussen , Mi., 19. Sep., 19 Uhr, Filmmuseum, St. Jakobs-Platz 1; Reihe "Zauberkunst und Film" bis 19. Dez.

© SZ vom 14.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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