Yoga-Boom in München:Der Hund in mir

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Yoga ein Nischensport für esoterisch angehauchte Indien-Romantiker? Das war einmal. Heute verrenken sich Hausfrauen auf der Matte ebenso wie Manager und Mütter mit ihren Neugeborenen. Ein Ende des Booms ist nicht in Sicht.

Anna Günther

Ein Raum voll schöner Frauen - eigentlich sei er vor allem deshalb vor Jahren in Los Angeles zum ersten Mal in eine Yogastunde gegangen, erzählt Christoph Wörndle. Doch die Enttäuschung war groß: Hübsch und fit waren die Damen, "aber sie hatten natürlich kein Interesse zu quatschen, die haben sich nur auf ihre Yogapraxis konzentriert." Heute lacht der Münchner Sound-Designer darüber, beim Yoga ist er geblieben.

Trainierten Yogis fallen Übungen wie diese leicht. Doch bis es soweit ist, vergeht viel Zeit. (Foto: Robert Haas)

Yoga zählt zu den beliebtesten Trendsportarten. Dass Hund, Katze und Skorpion nicht nur Tiere sind, sondern Yoga-Haltungen, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Doch die Vorurteile halten sich hartnäckig: Gelenkig, körperbewusst, weiblich - so sieht das Klischeebild von praktizierenden Yogis aus.

Manche Männerrunden witzeln noch immer über den "esoterischen Pseudo-Sport" - nicht wenige packen dann nach Feierabend heimlich die Yogamatte aus. Yoga gilt gemeinhin als Frauensport, dabei war es im Ursprungsland Indien jahrhundertelang Männern vorbehalten. Sie zogen umher und demonstrierten mit Yoga-Shows ihre Beweglichkeit. Frauen war Yoga sogar verboten.

Erst Tirumalai Krishnamacharya, der als Urvater des modernen Yoga gilt, brach mit dieser Tradition. Der Maharadscha von Mysore engagierte ihn 1934,um die königliche Familie zu unterrichten. Doch dass ein Mann die Damen anleitet, war damals undenkbar.

Also ließ Krishnamacharya einen Vorhang spannen und seine Ehefrau berichtete ihm, wie die Frauen sich bewegten und gab seine Instruktionen weiter. Erst sein Schwager Iyengar brach mit der Tradition und unterrichtete erstmals weibliche Yogis - die in ihm noch keinen echten Mann sahen, weil er damals noch nicht volljährig war. Iyengar brachte Yoga in den 50er Jahren als Lehrer des Violinisten Yehudi Menuhin in den Westen.

Wurde Yoga lange Zeit noch kritisch beäugt und eher den vermeintlich hippen Marketing-, Mode- und Medienmenschen zugeschrieben, gibt es seit den späten sechziger Jahren laut dem Bund Deutscher Yogalehrer (BDY) einen steten Zuwachs an Lehrenden, derzeit sind es mehr als 3500, doch nur ein Teil der deutschen Dozenten ist auch Mitglied im BDY. S

eit zehn Jahren haben Yogaschulen in ganz Deutschland extremen Zulauf, allein in München gibt es laut "Yoga Guide" etwa 80. Jedes Fitnessstudio, das etwas auf sich hält, bietet Stunden an - und zwischen Bayerwald, Bielefeld und Bodensee zieht es angehende Yogis auf die Matten. Yoga boomt, und ein Ende ist nicht abzusehen.

Die Stunden sind voll, und im Studio steht der gestresste Manager neben der trendy Studentin, die erschöpfte Hausfrau neben dem Rentner mit Rückenschmerzen, und zwischendrin dehnt sich der drahtige Schnauzbartträger, während draußen sein Dackel wartet.

"Es ist kein Wunder, dass immer mehr Menschen Yoga machen", sagt Dagmar Stuhr, Besitzerin von Airyoga in München und Zürich. Die Geschwindigkeit im Alltag steige, die Technik entwickle sich immer schneller, doch "der Mensch kann nicht mithalten und viele sind überfordert." Beim Yoga versuchen immer mehr Münchner zu lernen, richtig mit Alltagsstress umzugehen oder gesundheitliche Probleme zu bewältigen.

Auf einen Unterrichtsstil möchte Stuhr sich nicht festlegen. "Die Yogis sollen offen sein und Verschiedenes ausprobieren", sagt die ausgebildete Yogalehrerin. 19 Dozenten unterrichten sechs verschiedene Richtungen, bieten Intensivworkshops und die Ausbildung an.

Absolute Zahlen möchte Stuhr nicht nennen, doch es wird eng in der Schrannenhalle, bald soll auch in München ein weiteres Airyoga-Studio eröffnen. "In den letzten fünf Jahren hat sich die Anzahl der Schüler verdoppelt und verdreifacht", berichtet auch Michael Kern, Geschäftsführer von Jivamukti Yoga. 33 Lehrer unterrichten mittlerweile in drei Filialen Yogis aller Altersstufen. Die älteste Schülerin sei 75 Jahre alt, sagt Kern. Die Kinderkurse beginnen ab drei Jahren, doch manche Mütter turnen schon mit ihren Babys. Und sollten sich die Kleinsten Mamis Drang verweigern, gibt es im Studio Kinderbetreuung.

Die wohltuende Wirkung von Yoga für Körper und Geist wird allgemein beschworen, doch wie jede Sportart birgt Yoga auch ein Verletzungsrisiko. Simona Dieterich hält es trotzdem für ungefährlich. Jeder müsse seine Leistungsfähigkeit kennen und dürfe nie über die Schmerzgrenze hinausgehen, sagt die 29-Jährige. Gute Lehrer greifen ein, und mit der ganzheitlichen Gymnastik könne sogar Extremfällen noch geholfen werden.

Auf einer Indienreise hat Dieterich Bikram für sich entdeckt, die Ausbildung bei Bikram Choudhury gemacht und mit ihrer Schwester das erste Münchner Studio eröffnet. Der Yoga-Boom lässt die Kassen klingeln. Ein Ende des Trends halten alle drei Studioleiter - wen wundert's - für ausgeschlossen. Schon von Berufs wegen.

© SZ vom 14.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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