Würzburger Mozartfest:Für Prominenz und Pauke

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Jörg Widmann bedankt sich beim Publikum - darunter Frank-Walter Steinmeier und Bernd Sibler in vorgeschriebenem Abstand in erster Reihe. (Foto: Dita Vollmond)

Das 100. Würzburger Mozartfest ist eröffnet

Von Michael Stallknecht, Würzburg

"Ich würde für Herrn Söder sogar ein ,Star Trek'-Konzert machen, damit er vielleicht mal wieder ins Theater geht", hat Gärtnerplatzintendant Josef Köpplinger vor einigen Monaten dieser Zeitung gesagt. Nun, soviel steht fest: Mozart ist es nicht, was den bayerischen Ministerpräsidenten ins Konzert zu locken vermag. Dass er seinen geplanten Besuch beim Würzburger Mozartfest zwei Tage vor der Eröffnung ohne jede Begründung absagte, darf in gleich mehrfacher Hinsicht als Affront gelten: gegen das Festival, dessen Schirmherr Söder in diesem Jahr ist, gegen Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der sich zum einhundertjährigen Geburtstag von Deutschlands ältestem Mozartfest nach Würzburg begeben hatte - und gegen die Musiker, die mehr als ein Jahr mit am heftigsten unter den maßgeblich von Söder mitverantworteten Schließungen der Konzertsäle und Theater gelitten haben.

Von der "Weglassprobe" sprach Steinmeier im Kaisersaal der Residenz: davon, was es bedeuten würde, auf Mozart und seine zentralen Werke verzichten zu müssen, ohne die uns "etwas Unersetzliches fehlen" würde, auch von den schwierigen historischen Bedingungen, unter denen das Mozartfest 1921 gegründet wurde. Keinen Satz aber fand er für die "Weglassprobe", die in den vergangenen Monaten Unersetzliches hat fehlen lassen. Immerhin bekannte sich der bayerische Kunstminister Bernd Sibler, für Söder kurzfristig als Redner eingesprungen, dazu, dass die Künste für den Freistaat mehr seien als ein "nice-to-have", und erwähnte den tiefen Einschnitt, den Corona gerade für Künstler und Spielstätten bedeutet habe. Um dann doch vor allem seine Regierung für den Einsatz zu loben, mit dem sie die Schäden in der Kunstszene ausgleichen will: die Kulturhilfsprogramme, den Kultursommer, der ein üppiges Open-air-Programm ermöglichen soll, die Stipendienprogramme für den Nachwuchs. Aber was hinter all den Millionenzahlen fehlte, war ein beherztes, gern auch herzhaftes Wort darüber, welche nicht-ökonomischen Schäden die Abwesenheit von Musik in den Herzen von Hörern und Künstlern hinterlassen hat. Oder vielleicht ein lustiges darüber, was es bedeutet, unter Corona-Bedingungen ein Eröffnungskonzert zu veranstalten. Zumal, wenn auch noch das Bundeskriminalamt bei der Gestaltung mitredet.

Exakt 164 Gäste durften sich mit großen Abständen auf den Kaisersaal und den angrenzenden Saal verteilen, darunter viele prominente Politiker wie Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder. Es gibt eine Pause für die Öffnung der Fenster zwecks Lüftung, in der unter den allgegenwärtigen Augen der Bodyguards aber aus Sicherheitsgründen niemand den Sitzplatz verlassen soll. Drumherum gibt es naturgemäß vor allem Mozart, gespielt von der Camerata Salzburg unter Atemschutzmasken und dem Dirigat von Jörg Widmann. Den Musikkritiker hat das Protokoll unmittelbar hinter den Pauken des Orchesters platziert. Das ist durchaus lustig bei Widmanns eigener Komposition "Con brio", bei der der Pauker auf den Rahmen trommelt oder die Kessel mit den Schlägeln reiben muss. Weniger lustig ist es bei Mozarts "Sinfonia concertante" für Violine, Viola und Orchester. Denn der Kaisersaal, in normalen Zeiten schon überakustisch, klingt mit derart wenigen Besuchern wie ein Schwimmbad - und die beiden Solisten Renaud Capuçon und Gérard Caussé von hinter den Pauken aus ungefähr so, als übten sie nebenan in der Umkleidekabine. Dabei sind mit ihnen als besonders prominente Gäste eigens eine Violine und eine Viola aus Mozarts einstigem Besitz angereist, doch sehen kann der Berichterstatter die beiden heiligen Instrumente noch weniger als hören.

Liegt es also am Druck der Umstände oder an den unten bereits wartenden Chauffeuren, dass Widmann die Camerata Salzburg zum Schluss durch Mozarts "Jupiter-Sinfonie" fegen lässt, als wolle er einen Weltrekord im Schnellspielen aufstellen? Dass der Kopfsatz zwar Effekt und Lärm macht, dem Andante aber in der Mutation zum Allegretto drammatico alle schwebende Freiheit abhandenkommt und der Kontrapunkt im rasenden Schlusssatz vollends dem Schwimmbad zum Opfer fällt? Der Überschwang eines Festes, auch die von der Programmbroschüre beschworene "Nähe durch Musik" jedenfalls will sich hier nicht einstellen.

Die gute Nachricht bleibt dennoch, dass nun das erste bayerische Musikfestival nach langem Bangen und Umplanen eröffnet ist. Und dass man sich beim Mozartfest, so es Inzidenzen und Politik zulassen, nun auf vier weitere Wochen mit Konzerten und Vorträgen freuen darf. Oder auf die begleitende Ausstellung "Imagine Mozart" im Würzburger Kulturspeicher, die wichtige Bildwerke zu Mozart in seltener Dichte versammelt. Dort darf man sich, man höre und staune, sogar regel(ge)recht frei bewegen.

© SZ vom 31.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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