Wolfratshausen:Zwei Esel für Demenz-Patienten

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Das AWO-Seniorenzentrum hat zwei neue Bewohner: Carlo und Fritz sollen auf Demenz-Patienten beruhigend wirken. Noch sind die Tiere ganz furchtbar scheu - aber schon bald sollen sie mit den Bewohnern durch die Stadt spazieren.

Von Barbara Briessmann, Wolfratshausen

Das Warten hat ein Ende. Seit Freitag leben im AWO-Seniorenzentrum zwei Esel, die eigentlich schon im Sommer einziehen sollten. Sie verstärken das tierische Team, das bei der Behandlung von Menschen mit demenziellen Erkrankungen in der Einrichtung in Wolfratshausen hilft. Das sind Ziegen, Enten, Hühner, ein Hahn - und jetzt auch zwei Esel.

"Seit 22 Jahren haben wir hier schon Tiere zur Behandlung", sagt Heimleiter Dieter Käufer. Tiere hätten nämlich nachweislich eine biopsychologische Wirkung auf den Menschen. "Sie können beruhigend und heilend wirken", sagt Käufer. Von den Eseln erhoffen sich die Pflegekräfte, dass sich etwas von ihrer stoischen Ruhe auf die Heimbewohner überträgt. Medizinisch erwiesen ist lauf Käufer: Das Zusammensein mit Eseln senkt den Spiegel des Stresshormons Cortisol. Gleichzeitig wird das Beziehungshormon Oxytocin frei. Das bewirkt Muskelentspannungen, einen niedrigeren Blutdruck und reduziert zudem das Schmerzempfinden.

Noch wird es allerdings dauern, bis die Esel Carlo und Fritz Menschen an sich heranlassen. "Sie sind extrem scheu", berichtet der Heimleiter. "Sie erschrecken schnell und flüchten." Der Grund: "Sie kommen von einer großen Weide, hatten kaum Kontakt zu Menschen." Der braune vierjährige Carlo und der graue dreijährige Fritz wurden am Freitag direkt aus dem Burgund an den Paradiesweg in Wolfratshausen gebracht. Die Vorfahren der zwei Tiere stammen allerdings aus Bayern, aus Krumbach. "Carlo und Fritz sind sozusagen heimgekehrt." Allerdings müssten sie sich erst eingewöhnen, seien noch ein wenig orientierungslos. "Beim Füttern brauche ich viel Zeit und Geduld", sagt Käufer lachend. Streicheln ließen sich die beiden noch gar nicht. Geduld hat das Seniorenzentrum schließlich. Für die Ansiedlung der beiden Esel im 400 Quadratmeter großen Tiergehege im Garten mussten einige Hürden genommen werden. Das AWO-Heim brauchte die Genehmigung der Stadt Wolfratshausen und des Landratsamts, weil die Esel in einem Wohngebiet leben. Außerdem musste eine eventuelle Lärmbelästigung durch die Tiere ausgeschlossen und ein Stall mit speziellem Boden errichtet werden. "Aber endlich sind die Esel da", freut sich Käufer.

Carlo und Fritz sollen genügend Zeit bekommen, um sich einzugewöhnen. Danach haben die Pflegekräfte aber große Pläne mit ihnen. Die Esel sollen nicht nur zum Streicheln da sein. Das AWO-Team pflegt den Ansatz "der Teilhabe an der Gemeinde, dem Sehen und Gesehenwerden von demenziell erkrankten Menschen". Dazu gehören auch Ausflüge - etwa in die Eisdiele, ins Heimatmuseum oder zum Weißwurstfrühstück ins Gasthaus. "Da spüren wir große Akzeptanz in Wolfratshausen", sagt Käufer.

Schon bald sollen die Ausflügler von Carlo und Fritz bei Picknicktouren begleitet werden. Im Seniorenzentrum freut sich das Team darauf, in ungewöhnlicher Gruppierung auf die Straße zu gehen: "Betagte und junge Menschen mit Demenz, Mitarbeiter, Ehrenamtliche und zwei Esel", so wird die Konstellation beschrieben. "Ein Bild, das Wolfratshausen hoffentlich gefällt!" Jetzt muss es aber erst mal den Eseln in Wolfratshausen gefallen.

© SZ vom 12.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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