Wolfratshausen:Wo bitte geht es in die Vereinigten Staaten?

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Dem Philharmonischen Orchester Isartal gelingt ein starker "Sommer in Amerika" - allerdings lässt die Geografie zu wünschen übrig

Von Sabine Näher, Wolfratshausen

Mit einem kraftvollen Zugriff auf Ludwig van Beethovens titanische Coriolan-Ouvertüre gelang Christoph Adt und dem Philharmonischen Orchester Isartal ein packender Einstieg in das Konzert "Sommer in Amerika" der Abo-Reihe. Zwar war nicht alles ganz zusammen, nicht alles ganz sauber, aber das ließ die Hingabe, mit der musiziert wurde, vergessen.

Beethovens Ouvertüre ist übrigens nicht als Eröffnung zu einer Oper, sondern zu einem Schauspiel entstanden, nämlich "Coriolan" von Heinrich von Collin. Darin geht es um den römischen Feldherrn Marcius, der, aus Rom verbannt, gegen die Vaterstadt in den Krieg zieht. Die Sache endet höchst tragisch mit dem Freitod des unglücklichen Feldherrn.

Mit einem vermeintlichen Selbstmord ging es Samstagabend in der Loisachhalle gleich weiter: In der Konzertarie "Ah, lo previdi" hält Andromeda den geliebten Perseus für tot. Tatsächlich versucht dieser, sich das Leben zu nehmen, da Andromeda auf Geheiß des Vaters einen anderen heiraten soll, doch er überlebt. Das weiß die Sängerin in Wolfgang Amadeus Mozarts hinreißender Konzertarie, einer Gattung, die aus mehreren Rezitativen und Arien als kleine Szene zusammen gesetzt ist, noch nicht und beklagt ihr Los entsprechend leidenschaftlich. Diesen Part hatte die junge, aus Erding stammende Sopranistin Katharina Peschl übernommen und glanzvoll ausgefüllt. Mit schön timbrierter, gut geführter Stimme zeichnete sie Andromedas Gefühlsausbrüche anschaulich nach; das Orchester bereitete ihr mit schön gezeichneten Farben den passenden Klangteppich.

Auch im folgenden Werk, "Knoxville: Summer of 1915" von Samuel Barber, trat Peschl als Solistin auf, jedoch in anderer Funktion: Hatte Mozart eine Bravourarie für die als hervorragend gerühmte Prager Sängerin Josepha Duschek geschrieben, die ganz auf die Darstellung ihrer sängerischen Möglichkeiten ausgelegt war und dem Orchester Begleitfunktion zuwies, kommt der Sängerin bei Barber die Rolle einer Erzählerin zu, die vor allem den Text transportiert, während das Orchester mit warmen, ausdrucksvollen Farben intensive Stimmungen schildert. Das Stück beschreibt einen Sommerabend im Jahre 1915 in Knoxville/Tennessee aus der Sicht eines Sechsjährigen, der den letzten unbeschwerten Sommer vor dem Tod des Vaters erlebt. Wie ein breiter, ruhiger Strom zieht die von Barber so benannte "Lyrische Rhapsodie" vorüber und verbreitet wohliges Behagen. Wer den Sommer 2015 dagegen hält, kommt nicht umhin zu konstatieren, dass unser Lebenstempo doch erheblich zugelegt hat. Einziges Manko der Ausführung: Die Klangbalance zwischen der eher auf Tonhöhe sprechenden Sängerin und dem voll ausspielenden Orchester war nicht ideal austariert.

Nach der Pause dann die obligatorische Sinfonie, in diesem Falle die sogenannte Militärsinfonie von Joseph Haydn. Im ersten Satz präsentierten sich die (Blech-)Bläser noch nicht ganz militärisch präzise; die Streicher hinterließen den geschlosseneren Eindruck. Der zweite Satz begann ganz harmlos mit der für die Wiener Klassik typischen graziösen Anmut, ehe mit heftigem Triangelgeklingele, Pauken- und Beckenschlägen militärisches Getöse losbrach. Breit ausschwingend, luftig, mit großem Atem kam der dritte Satz daher, gefolgt vom wiederum alle Klangeffekte ausspielenden, für ein Presto aber etwas zu gemächlichen Schlusssatz. Diese Sinfonie, die 100. aus Haydns Feder, gehört zu den "Londoner Sinfonien", die auf den beiden Englandreisen des schon betagten Komponisten zur Uraufführung kamen. Aber England ist nicht Amerika - und so fügte sich auch die Sinfonie nicht unter das Motto des Konzertes "Sommer in Amerika". Ohne den Barber hätten Haydn, Mozart und Beethoven ein geradezu klassisch gebautes sinfonisches Programm ergeben. Das wunderbar stimmungsvolle amerikanische Werk ergab dazu leider keinen inhaltlichen Bezug. Es wäre schön gewesen, um dieses herum ein passenderes Programm zu finden.

© SZ vom 20.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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