Wolfratshausen:Was Menschen zur Flucht treibt

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Grüne beleuchten Gründe wie Klimawandel und Ausbeutung

Von Claudia Koestler, Wolfratshausen

Drei konkrete Thesen zu Gründen, aus denen Menschen sich auf die Flucht begeben, hatten die Wolfratshauser Grünen auf ihre Einladungsplakate geschrieben: "Rüstungsexporte und Militarismus", "Ausbeutung durch Industrienationen" sowie "EU-Wirtschaftspolitik und Klimawandel". Somit diskutierten die Podiumsgäste Claudia Stamm, Thomas Rödl und Karl Bär kürzlich mit den rund 30 Anwesenden in der Flößerei nicht länger über Ursachen im Allgemeinen. Stattdessen begründeten sie ihre bestehenden Thesen detailliert und forderten ein wirtschaftspolitisches wie politisches Umdenken. Die Landtagsabgeordnete der Grünen, Claudia Stamm, sah im Flüchtlingsstrom zudem eine "Krise der europäischen Idee".

Karl Bär vom Umweltinstitut München ging explizit auf die These der Ausbeutung durch Industrienationen ein. Das Handelsabkommen TTIP rege inzwischen viele Bürger auf, es werde mannigfach und breit diskutiert. Doch es gebe eben auch viele weitere Handelsabkommen, über die in der Bevölkerung bislang wenig bis gar nichts bekannt sei, die aber in ihren Wirkungsweisen die Situationen in den Dritte-Welt Ländern extrem verschärften, wie Bär sagte.

Konkretes Beispiel: Seit 2002 seien Abkommen der EU mit westafrikanischen Staaten verhandelt worden und jüngst zum Abschluss gekommen. Entstanden seien "äußerst einseitige Abkommen", die beispielsweise regelten, dass Schlachtabfälle wie etwa Hühnerköpfe aus europäischen Ländern billig auf den afrikanischen Markt kommen. "So etwas macht den dortigen Handel kaputt", sagte Bär. Die Industriestaaten hätten in ihrer eigenen Geschichte immer wieder Phasen gehabt, in denen sie die eigene Wirtschaft mit Zöllen vor ausländischen Einflüssen schützten. Solche Regulative würden durch die Verträge ausgehebelt. Die Gründe, warum die betroffenen Staaten die einseitigen Abkommen überhaupt unterzeichneten, sind laut Bär bestehende Post-Kolonial-Verträge. Diese ermöglichten den Staaten für bestimmte Produkte einen präferenziellen Marktzugang in Europa. Mit der Drohung, dass solche Vorteile zurückgenommen werden könnten, werde Druck ausgeübt.

Zwar gibt es laut Bär immer wieder Bestrebungen, Handelsabkommen für beide Seiten fairer zu gestalten - bislang aber stemme sich die deutsche Regierung gegen solche Ideen, sagte Bär.

Thomas Rödl, Sprecher der "Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte Kriegsdienstgegner"sah im Krieg gegen Terrorismus eine weitere Fluchtursache. Er forderte eine sofortigen Stopp der Bombardements und der Rüstungsexporte. Der Militärhaushalt sollte langfristig heruntergefahren und das Geld zur Schuldentilgung und zur Friedensförderung verwendet werden. Zudem forderte er, das Gespräch mit IS-Vertretern zu suchen. Bär sah zwar durchaus Grenzen des Pazifismus. Einig waren sich die Anwesenden in einer grundsätzlichen Bestrebung: Das Handeln jedes Einzelnen im Alltag wie auch jedes Handeln in der Politik und Wirtschaft müsse zum Ziel haben, dass es allen am Ende gut gehe. Oder, wie Stamm sagte: "global denken, lokal handeln."

© SZ vom 18.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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