Wolfratshausen:Vermeintliche Eroberer Europas

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Wolfgang Bittner gilt vielen als zu einseitig. (Foto: Hartmut Pöstges)

Der Autor Wolfgang Bittner referiert beim Arbeitskreis Frieden über die USA

Von Thekla Krausseneck, Wolfratshausen

Der Gast, den der Arbeitskreis Frieden der SPD eingeladen hatte, ist umstritten, seine Kritiker werfen dem Juristen und Schriftsteller Wolfgang Bittner Einseitigkeit vor. Gerade aus diesem Grund habe sie Bittner eingeladen, sagte Ilse Nitzsche, Vorsitzende des AK: "Ich bin der Meinung, dass die Printmedien auch sehr einseitig sind." Gut 40 Besucher folgten der Einladung des Arbeitskreises und besuchten Bittners Vortrag am Donnerstagabend in der Flößerei. Unter ihnen "drei SPD-Mitglieder, die nicht im Arbeitskreis sind", sagte Nitzsche.

Die USA lenkten die EU, behauptete Bittner: Sie provozierten gezielt Konflikte zwischen Deutschland und Russland, hätten mehrere Milliarden in den "Regime-Change" in der Ukraine gesteckt und wollten das Gleiche nun in Moskau umsetzen. Dabei gehe es um Macht, Rohstoffe, Kapital. Bittner - ehemaliger Rundfunkrat des Westdeutschen Rundfunks Köln, preisgekrönter Romanautor und P.E.N.-Mitglied - hat die Erkenntnisse seiner Recherchen in ein Buch gegossen, das beim Westend-Verlag erschienen ist und den Titel "Die Eroberung Europas durch die USA" trägt. Die Veröffentlichung des Buchs sei für ihn nicht ohne Konsequenzen geblieben, sagte er: Mit den Preisen sei es seither wohl vorbei, und die Redaktionstüren seien ihm, der lange für Print, Funk und Fernsehen geschrieben habe, nun verschlossen. Redakteure, mit denen er sich vorher gut verstanden habe, stünden ihm nun kritisch gegenüber. Dabei habe ihm Gerhard Schröder, mit dem er befreundet sei, zu dem Buch gratuliert, ebenso wie Altkanzler Helmut Schmidt kurz vor seinem Tod. "Ich bin Jurist und in der Lage, logisch zu denken", sagte Bittner zu den Vorwürfen seiner Kritiker. Beschäftigt habe er sich mit der Thematik seit 2014, weil ihn die Berichterstattung "von Tag zu Tag wütender" gemacht habe. So sei etwa der Regierungswechsel in der Ukraine von den USA "nachweislich jahrelang vorbereitet" worden: Die US-Diplomatin Victoria Nuland habe bereits 2013 erklärt, dass die USA fünf Milliarden Dollar in den "Regime-Change" in der Ukraine investiert habe. In den deutschen Medien sei das aber nicht zur Sprache gekommen. Diese andere, nach Bittners Auffassung verschwiegene Seite der globalpolitischen Entwicklung hat er in seinem Buch aufgearbeitet, mit zahlreichen Quellenverweisen auf alternative Medien wie die Internetseite Nachdenkseiten.de und den "Weltbühne"-Nachfolger Ossietzky.

Das Buch lässt seine Leser mit einem beklemmenden Gefühl zurück: Europa stehe an der Schwelle eines Kalten Kriegs, heißt es, die Ukraine sei für die USA ein Brückenland von geostrategischer Bedeutung und Russland solle gezielt in den Ruin getrieben werden. Putin werde in den Medien verteufelt, weil er sich nicht den westlichen Kapitalmärkten öffne. Er sei zwar kein lupenreiner Demokrat, aber immerhin habe er eine Annäherung zwischen Deutschland und Russland gewünscht. Die deutsche Politik, ganz besonders Angela Merkel, sei der USA hörig, sagte Bittner: Von einem geheimen Papier war die Rede, das neue Kanzler unterschreiben müssten. Auch die Sanktionen gegen Russland seien von der US-Regierung verlangt worden. Weigere sich die Bundesregierung, die Forderungen der USA umzusetzen, setze die das Land wirtschaftlich unter Druck oder bringe es in Verlegenheit. Fast jede Seite schließt mit Fußnoten voll ausführlicher Literaturverweise und Internetlinks.

Die anschließende Diskussion verlief friedlich, die Besucher, die sich daran beteiligten, waren sich weitgehend einig: darin, dass die Jugend sich kaum für solche Themen interessiere, darin, dass die Beschäftigung mit Putin, Russland und den USA rasch zu einer Verurteilung führe und darin, dass es dringend wieder zu einer Annäherung an Russland kommen müsse. Das SPD-Mitglied Hans Gärtner sagte, man müsse "wachsam sein nach allen Seiten": Habe man erst einmal einen Kalten Krieg, werde überall geflunkert, und jede Seite versuche, die andere zu destabilisieren. So werde etwa der französische Front National von Russland mitfinanziert. Diese Kritik teilte Bittner nicht: Für die finanzielle Unterstützung gebe es keine Belege. Scharfe Kritik äußerte ein Besucher an Bittners Blick auf die Presse. Mit der Medienlandschaft sei er sehr zufrieden: "Ich bin der Meinung, ich bin breit informiert, nicht so einseitig, wie Sie das darstellen."

© SZ vom 05.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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