Wolfratshausen:Unter Stress ausgerastet

Lesezeit: 2 min

Die Container-Unterkunft in Lenggries: Hier lebt der Senegalese. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Gericht verurteilt Asylbewerber zu Sozialstunden

Von Barbara Briessmann, Wolfratshausen

Er war nie unangenehm aufgefallen, bis er am 1. August vergangenen Jahres in der Asylbewerberunterkunft in Lenggries regelrecht randalierte. Die Security überwältigte den 20-Jährigen und fixierte ihn. Wegen vorsätzlicher Körperverletzung an einem Wachmann wurde der Senegalese angezeigt. Am Donnerstag musste sich der Schüler vor dem Wolfratshauser Amtsgericht verantworten. Das Verfahren wurde gegen die Auflage von 24 Stunden gemeinnütziger Arbeit eingestellt. Wohl auch deshalb, weil vor Gericht herauskam, warum der "sanfte, sensible, kultivierte junge Mann", wie ihn seine Lehrerin beschreibt, ausgerastet war.

Seit über einem Jahr lebt der 20-Jährige schon in der Einrichtung in Lenggries. "Ich bin gekommen, um Asyl zu bekommen, nicht um Schwierigkeiten zu machen", sagte er vor Gericht. An jenem 1. August jedoch sei er laut Wachmann "drei Mal auffällig geworden". Zunächst hatte eine Angestellte des Sicherheitsdienstes um die Mittagszeit den Senegalesen gebeten, herumliegende Kippen wegzuräumen. "Ich habe nicht verstanden, warum", sagte der Angeklagte. "Ich rauche nicht."

Das habe den Angeklagten wahnsinnig aufgeregt, berichtete sein 19-jähriger Mitbewohner aus Eritrea im Zeugenstand. Der Senegalese habe einen Anruf bekommen. Wie der Wachmann aussagte, habe der Angeklagte vor seinem Zimmer im Gang in sein Handy geschrien, gegen Wände, Türen und Tonnen getreten. Die Security forderte den Mann auf, sofort mit dem Telefonieren aufzuhören. Was dieser nicht tat. Was die Sicherheitsleute nicht wussten: Es war der verzweifelte Anruf seiner Ehefrau aus einem Flüchtlingslager in Ungarn. Ihre Probleme dort hätten ihn sehr aufgeregt, meinte er am Donnerstag vor Gericht. Er sei kurz ins Zimmer gegangen, um nach wenigen Minuten nach Bad Tölz aufzubrechen - dabei hatte er immer sein Handy am Ohr.

Auf dem Parkplatz vor der Container-Unterkunft hätten ihn zwei Sicherheitsleute festgehalten. Einer habe ihn an den Nacken geschlagen, so dass sein Handy auf den Boden gefallen sei. Der andere habe ihn am Hals gepackt und zu Boden gedrückt, wo beide ihn festgehalten und ihm Handschellen angelegt hätten. Der Security-Mann will den Senegalesen nicht verletzt haben. Der sei ihm zu nah gekommen, "ich wollte ihn auf Abstand halten", sagte er. Dann habe der Angeklagte angefangen, "wild um sich zu schlagen". Deswegen hätten sie ihn "zu Boden gebracht und fixiert". Sowohl der Sicherheitsmann als auch der Angeklagte zogen sich leichte Verletzungen zu. Für den Zimmergenossen des 20-Jährigen war "kein Grund erkennbar" gewesen, warum die Wachleute den Sengalesen fesselten und dann die Polizei kam.

Seit diesem Tag sei der 20-Jährige so unauffällig und umgänglich wie zuvor, sagte der Wachmann aus. Die Staatsanwältin überließ Josephine Bettzüge von der Jugendgerichtshilfe eine Auflage für den Angeklagten, um das Verfahren einzustellen. 24 Stunden gemeinnütziger Arbeit soll er bis Ende März ableisten. Erleichtert nahm der Asylbewerber die Entscheidung an. Sorgenvoll schaut er aber gleich, wenn er an seine Frau denkt. Sie ist inzwischen in einer anderen Flüchtlingsunterkunft - in Italien.

© SZ vom 03.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: