Wolfratshausen:"So etwas gibt's doch gar nicht!"

Lesezeit: 3 min

Nie im Leben hätte Georg Unterholzner Texte für einen Fotoband schreiben wollen. Nun hat er's doch getan. Mit der tatkräftigen Unterstützung aller Bürgermeister aus dem Landkreis

interview Von Barbara Irl

Georg Unterholzner ist bekannt für seine Regionalkrimis, die im Oberland spielen. Nun präsentiert der Ascholdinger Autor ein Buch, in dem Bichler Bauern, das Reichersbeurer Gschlerf und der Greilinger Kernzl im Blickpunkt stehen, aber auch Münsinger Künstler, Sachsenkamer Rindviecher und Lenggrieser Wolkenkratzer. All diese Geschichten finden sich im Bildband "Faszinierendes Tölzer Land", der am 22. Oktober in Arzbach vorgestellt wird. Diesmal liest der Autor allerdings nicht selbst, er lässt lesen - und zwar die Bürgermeister.

SZ: Wie viele Bürgermeister haben Sie engagiert?

Georg Unterholzner: Etwa zehn, leider geht es aus zeitlichen Gründen nicht, dass alle 21 die Geschichten aus ihren Gemeinden vortragen. Wir mussten uns ein paar herausgreifen. Auch Altbürgermeister sind dabei, Michael Bromberger aus Eurasburg und Alfred Stangler aus Königsdorf.

Und wie haben Sie die Bürgermeister für diesen Job gewonnen?

Dazu muss ich ein bisschen weiter ausholen. Ich bin ja zu dem Buch gekommen wie die Jungfrau zum Kind. Nie wollte ich so ein Fotobuch machen, in dem steht, wie viele Einwohner Königsdorf hat oder was die höchste Erhebung in Icking ist. Als der Verlag mich gefragt hat, ob ich nicht die hervorragenden Bilder von Bernd Römmelt kommentieren möchte, habe ich zuerst Nein gesagt. Aber die Sache ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Ich habe mir gedacht: Man könnte ein Buch machen, bei dem die Bilder unabhängig von den Texten sind. Was mich interessiert, sind Geschichten, kleine Ausschnitte aus dem Alltag, die typisch für die Menschen hier sind. In Deining und Egling kenne ich mich aus. Aber aus den anderen Orten habe ich Futter gebraucht. Bei einer Bürgermeister-Dienstbesprechung durfte ich das Projekt vorstellen. Und alle waren sofort dabei. Die Bürgermeister haben mir Geschichten aus ihren Gemeinden erzählt, und nun sind viele auch bei der Buchvorstellung dabei.

Werden Sie den Herren vor der Lesung noch Unterricht geben?

Das wäre vermessen! Nein, da sind viele Entertainer dabei. Das sind Leute, die Humor und Freude an kulturellen Dingen haben. Landrat Josef Niedermaier und Michael Grasl aus Münsing werden ja auch mit ihrer Tanzlmusi aufspielen.

Was macht eine gute Anekdote aus?

Das Unerwartete, etwas, bei dem jeder denkt: So etwas gibt's doch gar nicht! Etwa die Sache mit der Deininger Trachtenfahne: Um ein Haar wäre sie 1923 nicht geweiht worden, weil der Pfarrer die Trachtler für einen bedenklichen Verlustierverein gehalten hat. Oder die Geschichte des Ickinger Rennfahrers Hans Stuck, der, wenn er seinen Sohn zur Schule gebracht hat, immer noch eine kleine Proberunde gedreht hat - ohne Sicherheitsgurt. Das kann man sich heute nicht mehr vorstellen. Wenn es die aus der Kurve genommen hätte! Wir sind früher ja auch klassenweise auf Traktor-Anhängern mitgefahren, und wenn es einen runtergehauen hat, hieß es: Selber blöd. Heute würde man einen Lehrer dafür verhaften.

Königsdorf liegt am Fuß der Zugspitze - zumindest auf dieser Aufnahme, die Bernd Römmelt von Peretshofen aus gemacht hat. (Foto: Bernd Römmelt)

Haben Sie eine Lieblingsanekdote?

Es gibt schon ein paar Favoriten, aber die verrate ich nicht. Manchmal ist es auch so, dass einen eine Geschichte kitzelt, und dann merkt man, dass sie gar nicht so interessant ist. Deshalb habe ich einige Texte wieder ausgewechselt. Ich wollte ein Buch machen, das man an einem verregneten Sonntagnachmittag gern in die Hand nimmt, das einen schmunzeln lässt oder auch zum Nachdenken bringt. Zum Beispiel die Geschichte von meinem Großvater, der während des Zweiten Weltkriegs Mesner in Hornstein war und den Befehl bekam, die Kirchenglocken abzuhängen und zum Einschmelzen abzuliefern. Stattdessen hat er die Glockenseile im Turm hochziehen lassen. Er hat den Befehl einfach ins Gegenteil verkehrt.

Sind Sie mit der Bildauswahl zufrieden?

Ja, sehr. Herr Römmelt und ich waren einen Tag zusammen beim Verlag in Rosenheim und haben das Material gesichtet. Ich war beeindruckt, was er mit der Kamera zustande bringt. Diese Aufnahme von Königsdorf mit der Zugspitze im Hintergrund, zum Beispiel, die hat er von Peretshofen aus gemacht. Unglaublich!

Haben Sie - mit Ihrem kriminalistischen Gespür - nicht den Eindruck, dass bei den Farben manchmal etwas nachgeholfen wurde?

Nein, das glaube ich nicht. Solche Farbsituationen gibt es durchaus immer wieder. Man muss den richtigen Moment erwischen und die richtige Ausrüstung haben. Römmelt ist ein professioneller und hochangesehener Fotograf, der ansonsten vor allem in Alaska unterwegs ist. Der macht so spektakuläre Aufnahmen, ohne dass da groß künstlich nachgeholfen wird.

Die Veranstaltung geht zugunsten des Hospiz- und Palliativverbandes. Warum haben Sie sich dafür entschieden?

Weil ich es schlimm finde, wenn Menschen alleine sterben müssen. Wir haben schon letztes Jahr eine ähnliche Veranstaltung auf einem Floß in der Loisach gemacht, mit der wir den Hospizverband unterstützt haben. Wenn Sie sich einmal am Münchner Nordfriedhof umschauen: Dort gibt es immer häufiger Beerdigungen, bei denen nur noch einer hinter dem Sarg hergeht. Dann mag man sich nicht vorstellen, wie dieser Mensch gestorben ist. Der Eintritt und zehn Euro von jedem verkauften Buch gehen an den Hospizverband - diesen Gedanken finde ich schön.

Buchvorstellung und Diashow "Faszinierendes Tölzer Land", Donnerstag, 22. Oktober, Kramerwirt, Arzbach, Beginn 19.30 Uhr; es spielen die Landratsamt Tanzlmusi und Sepp Kloiber; Karten zu acht Euro gibt es im Landratsamt, Telefon 08041/50 53 21 oder unter BuerodesLandrats@lra-toelz.de; Der Bildband kostet 19,95 Euro und ist im Rosenheimer Verlagshaus erschienen.

© SZ vom 15.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: