Wolfratshausen:Schuss auf Nachbarn

Lesezeit: 2 min

Landgericht München setzt Haftstrafe für 50-jährigen Wolfratshauser in Berufungsverhandlung zur Bewährung aus

Rudolf S. war nicht mehr zu bremsen. Er lud seine CO₂-Pistole der Marke Walther Kaliber 9 Millimeter mit einer Knallkartusche und steckte sie in seinen Hosenbund. Mit Wut im Bauch lief er zum Zimmer seines Nachbarn Harry M., der unter ihm in einem Haus im Obermarkt in Wolfratshausen wohnte und die Angewohnheit hatte, die Tür stets offenstehen zu lassen. Ohne Vorwarnung zog Rudolf S. seine Pistole heraus und presste sie Harry M., von dem er sich seit geraumer Zeit gemobbt fühlte, auf die Brust. Dann drückte er ab.

Als er den Abzug seiner Pistole, für die er keine waffenrechtliche Genehmigung besaß, eine zweites Mal betätigen wollte, schlug ihm ein Freund des Nachbarn den rechten Arm nach oben, so dass der zweite Schuss in Richtung Decke ging. Harry M. erlitt überraschenderweise keinerlei schwere Verletzungen. Das Reizgas aus der Patrone führte jedoch zu einer Bindehautentzündung der Augen. Bei der Tat handle es sich um "alles andere als eine Bagatelle", sagte Staatsanwalt Florian Burckhardt am Montag vor dem Landgericht München II. Rudolf S. hat den Angriff auf seinen Nachbarn gestanden.

Das Amtsgericht Wolfratshausen hatte den 50-Jährigen für die Tat wegen gefährlicher Körperverletzung, Bedrohung sowie unerlaubten Führens einer Schusswaffe zu einem Jahr und zehn Monaten Haft verurteilt - ohne Bewährung. Gegen das Urteil legte der Wolfratshauser, der in der Vergangenheit für diverse Sicherheitsfirmen arbeitete, Berufung ein. Aber auch die Staatsanwaltschaft war in die Berufung gegangen. Sie wollte unter anderem eine weit aus höhere Strafe, als die vom Amtsgericht verhängten 22 Monate.

Rudolf S. war bei der Tat am 9. Dezember 2012 heillos betrunken. Laut dem Gutachten einer Sachverständigen hatte er knapp über drei Promille Alkohol im Blut, als er auf seinen Nachbarn schoss. Er habe an jenem Tag einen Rückfall gehabt, sagte der 50-Jährige bei seiner Vernehmung vor dem Landgericht München zu Richterin Michaela Welnhofer-Zeitler. Rudolf S. ist "Langzeitalkoholiker". Mit 20 Jahren habe er angefangen zu trinken, berichtete er. Mit dem Alkohol habe er Depressionen und Panikattacken bekämpfen wollen. Doch dabei verlor S. die Kontrolle. Er trank immer mehr. Vor vier Jahren begann er eine Therapie. Über ein Jahr lang sei er trocken gewesen, so der Wolfratshauser. Er habe geglaubt, dass ihm nichts mehr passieren werde. Doch das ständige Mobbing durch Harry M. und dessen Freund, der ihm dann die Waffe aus der Hand schlug, habe ihm immer mehr zugesetzt. Am 9. Dezember 2012 habe er schließlich wieder zur Flasche gegriffen. Irgendwann torkelte der 50-Jährige zu seiner Wohnung. Auf dem Weg in den ersten Stock, musste er am Zimmer von Harry M. vorbei, dessen Tür wie immer offenstand. Als er das Apartment betrat, seien Harry M. und dess Freund auf ihn los und hätten ihn nach draußen befördert. Rudolf S. soll den beiden daraufhin gedroht haben, dass er sie erschießen werde.

Staatsanwalt Florian Burckhardt forderte, für die Tat zwei Jahre Haft gegen den Angeklagten zu verhängen, die Strafe aber zur Bewährung auszusetzen. Denn laut dem Gutachten einer Sachverständigen war Rudolf S. zum Zeitpunkt der Tat aufgrund der Alkoholisierung in seiner Steuerungsfähigkeit vermutlich erheblich eingeschränkt. Richterin Welnhofer-Zeitler beließ es bei der vom Amtsgericht ausgesprochenen Strafe. Doch setze sie diese unter Auflagen zur Bewährung aus.

© SZ vom 07.07.2015 / sal - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: