Wolfratshausen:Rabiater Rentner

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80-Jähriger wehrt sich mit Pfefferspray gegen angebliche Schikane des Winterdiensts

Von Thekla Krausseneck, Wolfratshausen

Es war ein schon lange schwelender Streit zwischen Geretsrieder Rentnern und Schneepflugfahrern, der jetzt vor dem Amtsgericht Wolfratshausen einen vorläufigen Höhepunkt gefunden hat. Ein 80-jähriger Mann musste sich wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten, weil er im Januar Pfefferspray in das Räumfahrzeug eines Winterdienst-Mitarbeiters gesprüht hatte. Das Verfahren wurde gegen Auflage eingestellt.

Das nur zur Verteidigung gegen Tiere erlaubte Pfefferspray entfaltet in einem geschlossenen Fahrzeug eine schlimmere Wirkung als an der freien Luft. Der Rentner räumte die Tat ein, allerdings mit Einschränkungen: So habe er nur am Rand der Tür gesprüht, "wo die Scharniere sind", und der Fahrer sei ohnehin sofort aus dem Fahrzeug gesprungen. Auch habe er nicht gewusst, dass man das Spray nur gegen Tiere verwenden dürfe. Die Begründung für die Attacke: Wut über Schikanen. Die Schneepflugfahrer belästigten ihn und andere Rentner schon seit Jahren, sagte er, deshalb sei er bei Polizei und Gemeinde gewesen, doch nirgends sei ihm geholfen worden. Wie sich die Schikane äußerte, ging aus der Aussage nicht hervor. Eine Polizeimeldung zu dem Vorfall vom Januar gibt jedoch Aufschluss: Der Mann habe sich darüber beklagt, dass der Winterdienst ihm wiederholt den Gehweg "zugeräumt" habe. "Und da muss man gleich zu so drastischen Mitteln greifen?", fragte Richter Helmut Berger. Er sprach von Selbstjustiz.

Die Anwältin sagte, der Schneepflug habe den aus Ostpreußen stammenden Rentner an die Panzer der Russen erinnert, die an diesem Tag vor 70 Jahren in seine Heimat einmarschiert seien. Mehr Gewicht hatte vor Gericht die Tatsache, dass sich der 80-Jährige um Versöhnung bemüht hatte: 600 Euro Schmerzensgeld und 300 Euro Anwaltskosten habe er dem Geschädigten gezahlt. Dies, seine Einsicht und sein hohes Alter waren nach Ansicht der Anwältin Grund genug, das Verfahren einzustellen. Die Staatsanwältin zeigte sich von der Einsicht des Angeklagten nicht überzeugt und ließ sich stattdessen zu einem kleinen Lachanfall hinreißen. Auf den Einwurf des Rentners, er habe "als Kind drei Jahre Zwangsarbeit leisten müssen", ging sie nicht ein.

Gegen eine Auflage von 1500 Euro wurde das Verfahren eingestellt; zu zahlen hat sie der Rentner in Raten an den Verein Brücke Oberland. Als Richter Berger die Zeugen in den Sitzungssaal rief, um sie zu entlassen, eine junge Frau und zwei Rentner, wurde deutlich, dass es eine emotional aufgeladene Verhandlung hätte werden können. Er finde es schade, nicht angehört worden zu sein, sagte einer der Rentner. "Ich hätte gern die Aussage gemacht, um zu erzählen, wie jahrelang . . ." An dieser Stelle unterbrach er sich respektvoll und entschuldigte sich bei Richter Berger. "Nichts passiert", antwortete dieser.

© SZ vom 07.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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