Wolfratshausen:Pop-up am Obermarkt

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Das Wolfratshauser "Kunstgewölbe" ist neu bestückt. Malerin Sandra Eder hat neben drei erfahrenen Kollegen auch drei Jugendliche zur Ausstellung gebeten

Von Felicitas Amler, Wolfratshausen

Ein Pferd ist ein Pferd ist ein Pferd, könnte man in Anlehnung an eine berühmte Gedichtzeile von Gertrude Stein über die Rose sagen. Nicht so beim 15-jährigen Fazel. Sein Bild eines Pferdekopfs ist mehr: Bei genauem Hinsehen gibt er sich als Hand zu erkennen, mit abgespreiztem Daumen, gewölbtem Ballen und starker Faltenzeichnung. Wie kommt ein Junge auf so eine Idee? Und wieso kann er überhaupt derartig gut zeichnen und malen? Fazel stammt aus Afghanistan. Er hat die Flucht nach Deutschland allein hinter sich gebracht, lebt hier inzwischen seit acht Monaten. Seine neunköpfige Familie samt Zwillingsschwester Lida kam erst vier Monate später nach. Kunstunterricht jedenfalls hat Fazel bisher nicht genossen. Er hat einfach enormes Talent. Im temporären "Kunstgewölbe" am Wolfratshauser Obermarkt 23 kann man sich davon überzeugen.

Die aktuelle Ausstellung in dem Raum, der früher ein Optikergeschäft beherbergte und in dem von Oktober an das "Studio il Bagno" seine Produkte und Dienste anbieten wird, trägt den Titel "Professionals meet Youngsters". Die jungen Künstler sind die Geschwister Sharifi sowie der Penzberger Maximilian Beck; die erwachsenen Annette Girke, Kerstin Vetter, Daniela Satzinger und Sandra Eder. Was und wie die beiden Letztgenannten arbeiten, können Kunstneugierige von diesem Dienstag an täglich beobachten - im "Pop-up-Atelier", in das sich das Kunstgewölbe parallel zur Ausstellung befristet verwandelt hat.

Dieses Kunstgewölbe ist eine wunderbare Sache: Luise und Walter Seemayer, deren Familie das Haus am Obermarkt 23 gehört, stellen das leer geräumte Ladengeschäft mit seinen 156 Quadratmetern wechselnden Kuratoren zur Verfügung, die sich jeweils eine Ausstellungscrew zusammensuchen. Er selbst könne nicht über Kunst entscheiden, sagt Seemayer, das überlasse er anderen. Zurzeit eben Sandra Eder, die fürs Publikum junge und etablierte Künstler miteinander konfrontiert. Die Initiative der Eigentümergemeinschaft macht allerdings auch ein starkes Defizit in der Stadt sichtbar: Es gibt hier keinen ausgewiesenen Raum für Kunst. Umso stärker ist die Resonanz auf das Kunstgewölbe, Seemayer hat reichlich Anfragen.

Sandra Eder, 36, hat eine Ausbildung bei Markus Lüpertz, einem der bekanntesten und als exzentrisch geltenden deutschen Maler, absolviert. Sie bekennt sich zur gegenständlichen Malerei und zu deren "akademischen Richtlinien". Im Kunstgewölbe ist eines ihrer farbintensiven Acryl-Gemälde auf eine Staffelei gestellt: ein Trabbi, der in eine Mauer gefahren ist, alles von üppigem Grün umwuchert. Eder hat erkennbar Freude am Talent der jungen Leute, die sie an den Obermarkt 23 geholt hat. Und auch Walter Seemayer zeigt sich beeindruckt: Er fotografiere ja selbst, sagt er, aber was dieser 16-jährige Maxi Beck könne! Die Exponate des Penzberger Gymnasiasten sind tatsächlich außergewöhnlich: Motive einer China-Reise, aufgenommen in der guten alten Schwarz-Weiß-Fotografie. Gesichter, die den Betrachter anschauen, wach, skeptisch, versonnen. "Fotografie erzählt Geschichten": Mit diesem Credo wird der junge Mann in der Vita zur Ausstellung zitiert. Welche Geschichten? Man sollte es selbst erkunden.

Professionals meet Youngsters, Kunstgewölbe, Obermarkt 23, Wolfratshausen; Dienstag bis Freitag 11 bis 18 Uhr, Samstag 10 bis 14 Uhr

© SZ vom 05.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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