Musikwerkstatt Jugend:Träumerei und Tanzschwung

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Video- und Lichtkunst von Stefan Bitterhoff ergänzt das exzellente Spiel der Sinfonietta in der Loisachhalle. (Foto: Hartmut Pöstges)

Beim Frühjahrskonzert der Sinfonietta Isartal bezaubern lebendige Musikalität und kreative visuelle Impulse das Publikum.

Von Paul Schäufele, Wolfratshausen

Dunkelheit umarmt die Hörenden, unterbrochen nur von der Notbeleuchtung und den diskreten Lämpchen, deren weißes Licht kaum von der Empore bis ins Parkett der Wolfratshauser Loisachhalle reicht. Vorn regt sich etwas. Auf halbtransparenten Stoffbahnen, die sich sachte im Luftzug der Bühne bewegen, erscheinen Wolken. Von der Empore strömt Musik, klare, kühle melodische Linien. Das klangliche Material verdichtet sich, auch die Bild-Projektionen: lila Stürme, bevor das Stück in versöhnlichem Dur endet und den Blick freigibt auf wärmere Farben. Ganz ihrem Anspruch verpflichtet, Ausbildung und künstlerischen Ausdruck kreativ zu verbinden, denkt sich die Musikwerkstatt Jugend immer neue Formate aus. Nun erhält auch das Konzert der Sinfonietta Isartal eine neue Dimension. Die Video- und Lichtkunst von Stefan Bitterhoff ergänzt das exzellente Spiel der jungen Musizierenden aufs Schönste.

Sophia Herbig und Stefan Bitterhoff haben schon einmal zusammengearbeitet. Über die Proben der Sinfonietta zum Frühjahrskonzert im vergangenen Jahr hat der Ickinger Video-Künstler eine kleine Dokumentation gemacht. Zum diesjährigen Konzert hat Herbig ihn eingeladen, um einen "außergewöhnlichen Abend" zu gestalten, wie sie sagt. Dabei ist schon der Beginn extravagant. Das Eingangsstück, das der lettische Komponist Pēteris Vasks aus Verehrung für die Heilige Teresa von Ávila "Castillo Interior" (Innere Burg) nannte, steht nicht auf dem Programm. "Wir wollten diesen Moment der Überraschung mit Ihnen ausprobieren", sagt Herbig, die das Stück mit Katja Deutsch gespielt hat.

Gelungene Überraschung: Stefan Bitterhoff umspielt das Eingangsstück von Pēteris Vasks visuell mit Projektionen auf halbtransparenten Stoffbahnen. (Foto: Hartmut Pöstges)

Es ist nicht die einzige Überraschung an diesem Abend. So ist das erste Werk des Programms die Serenade eines ungarischen Kleinmeisters, dessen Name selbst bei versierten Konzertbesucherinnen und -besuchern qualifiziertes Achselzucken provoziert. Und doch ist Gyula Beliczays viersätziges Opus 36 ein facettenreiches Juwel, zumal in einem so vielfarbig schillernden Schliff wie beim Jugendorchester der Musikwerkstatt. Den ungarischen Kurz-lang-Rhythmus spielen die gut zwei Dutzend Streicherinnen und Streicher mit echtem Tanzschwung, was auch an Sophia Herbig liegt. Die musikalische Leiterin der Sinfonietta dirigiert zwar nicht, übt aber aus der Position der engagiert mitspielenden Konzertmeisterin zusammenführenden Einfluss aus. An leisen Stellen geht sie beinahe in die Knie, um bei einem plötzlichen Crescendo umso deutlicher in die Höhe zu schnellen.

Sophia Herbigs Körpereinsatz macht etwas klar: Dass das Konzert der Sinfonietta so eindrucksvoll gelingt, liegt nicht nur am durchweg hohen technischen Niveau der Spieler, sondern auch an der reibungslos funktionierenden Kommunikation. Zwischen Leiterin und Orchester, zwischen Stimmführerinnen und Gruppen und auch zwischen den Musizierenden, die sich Blicke zuwerfen und Lächeln austauschen. Die schier unendlichen Melodien des Adagio cantabile aus Beliczays Serenade erhalten dadurch eine organische Form, natürlich phrasiert und ausgesungen. Die kessen Vorschläge des Finales passen zum vitalen Grün, das auf die Bühne projiziert wird.

Sympathische und witzige Wortbeiträge

Wie schon bei vergangenen Konzerten integriert auch dieses Konzert der Sinfonietta kurze Wortbeiträge ins Programm. Felix Mendelssohn Bartholdys zehnte Streichersinfonie, ein Werk des Wunderkinds, führt Linda Promintzer sympathisch ein: "Ich weiß ja nicht, was ihr mit 14 gemacht habt. Also ich hätte so was nicht geschafft ..." Wobei sich das Ensemble nicht verstecken muss. Mit Sinn für den sprudelnden Charakter des Stücks, sicher intonierend und mit Verve spielen sie das Stück des Altersgenossen.

Was sich schon an der genauen Mittelstimmen-Koordination bei Mendelssohn hören lässt, wird im kontrapunktischen Satz von Carl Nielsens "Kleiner Suite" noch deutlicher. In den Workshops, die dem Konzert vorangegangen sind, wurde vor allem das Hören trainiert. Den ersten Satz mit seinen dichten orchestralen Effekten, einer Umsetzung des Danaiden-Mythos, wie Amrei von Kracht witzig erklärt, spielt die Sinfonietta daher ebenso so transparent wie den elegante Walzer-Drehungen ausführenden zweiten.

Das Schlussstück, Edvard Griegs "Nordische Weisen", kündigt Franziska Gutdeutsch passenderweise mit einem Blick in die Werkstatt an. Denn die Melodie des Stücks "Im Volkston" erscheint mehrmals, jeweils mit anderen Klängen hinterlegt: "Uns ist aufgefallen, dass Grieg sich besonders viel Gedanken um die Begleitung gemacht hat." Und so wechselt die Melodie sorgfältig, begleitet den Charakter, klingt melancholisch, schmachtend, unruhig, kämpferisch. Auf den Kehraus, einen rustikal aufgespielten "Kuhreigen mit Bauerntanz", folgen die verdienten Bravo-Rufe.

Um eine Zugabe ist die Sinfonietta nicht verlegen, auch für diese hat man sich etwas überlegt. Das Licht im Saal wird gelöscht, Pultleuchten werden angeknipst. Zu den träumerischen Klängen von Tschaikowskys Elegie für Streichorchester werden erneut Bilder auf der Bühne sichtbar. Der Abend endet so zauberhaft, wie er begonnen hat: in visuellem wie klanglichem Chiaroscuro.

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