Wolfratshausen:Musikalische Visionen

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Erfrischend inspirierte Stabführung: Fuad Ibrahimov und die Neue Philharmonie München in der Loisachhalle. (Foto: Hartmut Pöstges)

Die Neue Philharmonie München zeigt beim Benefizkonzert unter Fuad Ibrahimov, wie leicht Grenzen verschwinden können. Publikum bedankt sich mit gewaltigem Applaus

Von Uta Schmidtsdorff, Wolfratshausen

Grenzen zwischen unterschiedlichsten Nationalitäten lassen sich mitunter mit Leichtigkeit überwinden. Das ist am Freitagabend auf ganz unkomplizierte Weise beim Benefizkonzert der Neuen Philharmonie München in der Loisachhalle offensichtlich geworden. Unter der musikalischen Leitung des in Aserbaidschan geborenen Dirigenten Fuad Ibrahimov verbanden sich Musikstudenten aus den verschiedensten Ländern zu einem faszinierend homogenen Klangkörper. Die Vision einer befriedeten Welt war im Rahmen dieses fruchtbaren Miteinanders zum Greifen nahe. Der Erlös der sehr gut besuchten Veranstaltung, die von der Musikwerkstatt Jugend und dem Lions-Club Wolfratshausen-Geretsried gemeinsam ausgerichtet worden war, kommt dem Projekt "Kinder in Not" zugute.

In einer Zeit, in der allerorts Ängste vor Veränderungen die Gesellschaft herausfordern, setzte auch die Programmgestaltung ermutigende Zeichen der Neuorientierung. Gleich zu Beginn wies die Ouvertüre zu Mozarts "Zauberflöte", die in ihrer übergeordneten Ausrichtung quasi Inbegriff der gesamten Oper ist, deutlich den Weg, die alte Welt der Dunkelheit zu überwinden und ein neues Ideal einer höheren Menschlichkeit auszubilden. Spritzig pulsierend musiziert und makellos in der technischen Ausführung, gelang es Ibrahimov, dieses Meisterwerk des späten Mozart zu einem großen Bogen zu formen. Die alte deutsche Orchestersitzordnung, bei der sich erste und zweite Violinen einander gegenüber befinden, erwies sich hier wie auch im weiteren Verlauf des Abends als sehr positiv: Ohne im Zusammenspiel an Präzision zu verlieren, gelangen dem Orchester bestechend klare Konturen im musikalischen Dialog.

Obgleich 1908 an der Schwelle zur Moderne entstanden, eröffnete das folgende Flötenkonzert Carl Reineckes wehmütig-romantische Welten. Einfühlsam begleitete das Orchester seine zurecht umjubelte Solistin Katharina Möritz. Die Stipendiatin der "Studienstiftung des Deutschen Volkes" und Preisträgerin zahlreicher Wettbewerbe beeindruckte durch musikalisch facettenreiche Gestaltung und virtuose Brillanz, die sie insbesondere in der rasanten "Stretta" des Finalsatzes unter Beweis stellen konnte. Weniger überzeugend in der musikalischen Kontur geriet hingegen der zweite Satz, dem des öfteren die innere Grundspannung abhanden kam. So fehlte etwa dem Pizzicato-Motiv in den Bässen eine gewisse unerbittliche Entschiedenheit.

Ähnlich wie bei der "Zauberflöten"-Ouvertüre sieht sich der Hörer auch bei Beethovens "Pastoral"-Sinfonie einer herausfordernden Vision gegenüber: der Idee vom freien Menschen, der im Einklang mit der Natur zu einer friedvollen höheren Ordnung findet. Mit denkbar schlichtem harmonischem und motivischem Material formt Beethoven ein organisches Wachstum. Die flächig angelegten landschaftlichen Stimmungsbilder der ersten beiden Sätze fordern in ihrer filigranen Durchsichtigkeit von den Ausführenden Außerordentliches. Das thematische Material wandert in stetem Fließen durch die Stimmen des Orchestersatzes. Die unterschiedlichen Klangkombinationen scheinen die Verbindung von Mensch und Natur beständig neu zu beleuchten.

Geriet dieser musikalische Fluss im ersten Satz unter der erfrischend inspirierten Stabführung Ibrahimovs mitunter ins Stocken, so gelang der zweite Satz nahezu vollendet: Ein sehr ausgewogener, dynamisch fein justierter Streichersatz zeichnete das Bild einer lieblichen Bachidylle, die einem übermütig federnden Scherzo, gefolgt von einem wunderbar satt stampfenden Trio wich. Grollende Bassfiguren, zuckende Blitzmotive und Paukenwirbel - eindringlich und farbintensiv verschaffte sich das Gewitter im vierten Satz Raum.

Einzig den Pianopassagen mangelte es an drohend-unheimlicher Grundspannung. Im wiegenden Dreiklangszauber des Finalsatzes bestach die Neue Philharmonie München erneut durch feinsinnige Umsetzung auf hervorragendem Niveau. Für den gewaltigen Applaus bedankte sich das Orchester mit dem fünften "Ungarischen Tanz" von Johannes Brahms.

© SZ vom 12.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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