Wolfratshausen:Marode Schätzchen unterm Hammer

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Wenn Wolfgang Kotz auf dem Marienplatz Fund-Fahrräder versteigert, ist das auch ein unterhaltsames Ereignis

Von Wolfgang Schäl, Wolfratshausen

Es war heuer ein kleines Jubiläum, das niemand so recht bemerkt hat: Seit mittlerweile 25 Jahren fungiert Wolfgang Kotz von der Wolfratshauser Stadtverwaltung als Auktionator, er ist seit 1990 der Mann, der den Hammer niedersausen lässt und damit Schicksale besiegelt: das Los all jener eisernen Gefährte, die den Undank ihrer einstigen Besitzer erfahren haben. Sie wurden irgendwo achtlos stehen gelassen, vielleicht auch vergessen, in die Loisach geworfen, manche gewiss auch geklaut und von der Polizei beschlagnahmt.

48 Fahrräder waren es diesmal, die bei städtischen Fundsachenversteigerung zum Verkauf standen, bei sengender Hitze und immerhin einer kleinen, angenehmen Brise, die rund um den Marienbrunnen und die Marktstraße mit ihren Trödeltischen strich. Denn am Samstag war gleichzeitig auch Nachttrödelmarkt. Er heißt immer noch so, obwohl er gar nicht in der Nacht stattfindet.

Der für 15 Uhr angesetzte Beginn der Versteigerung verzögerte sich um nahezu eine Viertelstunde, dank eines kostenlosen Glockenkonzertes vom Turm der Stadtpfarrkirche herab, gegen das Kotz akustisch keine Chance gehabt hätte. Alle Objekte der Begierde waren bis dahin säuberlich registriert, abfotografiert und auf einer Bildwand dokumentiert, einige davon nur allzu deutlich in ihrer Hinfälligkeit.

Wer bei der diesjährigen Fundsachenversteigerung am Marienplatz eines der maroden Schätzchen ersteigert hat, muss in aller Regel erst einmal zu Rostbürste, Ölkännchen und Luftpumpe greifen, um aus einem ramponierten Drahtesel ein Transportmittel zu machen. Dem einen fehlt ein Pedal, einem anderen der Sattel, dafür ist eines drittes abgesperrt, ohne dass ein Schlüssel existiert. Über eine eigene Beleuchtung verfügt ohnehin nicht jedes, und die Wirksamkeit der Bremsen sollte man lieber nicht direkt im Straßenverkehr testen. Was den fehlenden Sattel betrifft, hatte Kotz den Ratschlag parat, "dass ma mit dem Radl hoid stehad hoamfahrn muaß". Was keinem Rad fehlte, war wegen der langen Standzeit der Rost.

Von der nötigen Bastelei und den Unkosten darf man sich nicht beeindrucken lassen, denn spätere Reklamationen gibt es nicht, bezahlt wird sofort und in bar. Dafür wird aber auch alles korrekt abgewickelt: mit Auktionsnummer, einem amtlichen "Fahrradbegleitblatt" und einem Aktenzeichen, das belegt, dass man das Gefährt korrekt erworben hat. Unabhängig davon macht es den Interessenten erkennbar auch Spaß, mal die Katze im Sacke zu kaufen.

Spaß macht es nach wie vor auch dem Auktionator Kotz, obwohl er für seine Arbeit einen beträchtlichen stimmlichen Aufwand erbringen muss: Rund anderthalb Stunden dauert es in der Regel, bis die Räder einen neuen Besitzer gefunden haben, sofern sie nicht als unvermittelbar dem Schrottcontainer anheimfallen. Und ein nettes gesellschaftliches Erlebnis rund um den Marienbrunnen war es auch heuer, zumal für die Kinder, die bei der Hitze am Brunnenrand sitzend die Beine ins kühle Wasser strecken konnten.

© SZ vom 13.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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