Wolfratshausen:Kommerz ja, Kunst naja

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Kunstmeile - war da was? Die meisten Passanten gehen mittlerweile achtlos an den Exponaten in Wolfratshausen vorbei. (Foto: Hartmut Pöstges)

Die Plakate zur Kunstmeile sind weg, kaum einer interessiert sich für die Ausstellungsstücke: Manche Kulturschaffende sehen sich zu Dekorateuren der Shopping-Nacht bis 22 Uhr degradiert.

Von Stephanie Schwaderer, Wolfratshausen

Die roten Punkte kleben noch auf den Gehsteigen, ansonsten ist es um die "Kunstmeile fünf" wenige Tage nach ihrer Eröffnung schon wieder recht ruhig geworden: Die meisten Geschäftsinhaber haben die Werbeplakate kurz nach der Shopping-Nacht am Freitag wieder abgenommen, und auch die Flaneure mit den knallroten Flyern in der Hand sind seit dem Wochenende aus dem Stadtbild verschwunden. Wie kommt die Kunstschau, die noch bis 11. Oktober läuft, bei den Beteiligten, den Künstlern und den Ausstellern, an? Die Antworten fallen so heterogen aus wie die Schau selbst.

"Nur peinlich" findet Gabriele Hüttl die ganze Veranstaltung. Die Wolfratshauserin, die aktives Mitglied im Berufsverband Bildender Künstler ist, verficht seit Jahren einen klaren Standpunkt: "Wir müssen weg von diesem albernen Werbegetue. Wir sind Künstler, keine Dekorateure!" Wenn schon Kunst in Schaufenstern gezeigt werde, dann müssten die Künstler ihrer Ansicht nach erstens von einer Jury ausgewählt werden, zweitens ein schlüssiges Konzept vorlegen und drittens in einem komplett leer geräumten Schaufenster ihre Arbeiten präsentieren können.

Der Verein Lebendige Altstadt Wolfratshausen (LAW), der die "Kunstmeile fünf" organisiert hat, verzichtet seit jeher auf jede Art von Auswahlverfahren und Qualitätskontrolle. "Das Ergebnis", so Hüttl, "rollt einem die Zehenägel auf." Natürlich sei es zu begrüßen, wenn sich jeder Mensch kreativ ausdrücken könne. "Aber es muss ja nicht jeder ausstellen!"

Stefanie von Quast nimmt die Sache gelassener, auch wenn ihre Skulpturen in zwei staubigen und mit Werbebannern beklebten Schaukästen bei der Loisachpassage alles andere als adäquat präsentiert werden. "Es gab Probleme bei der Absprache", sagt die renommierte Eglinger Bildhauerin. "Und ich hatte zuletzt einfach wenig Zeit." Ob sie noch einmal bei einer Kunstmeile mitmachen werde? "Das weiß ich nicht", sagt sie. "Aber sicher nicht in einem Fenster mit Puppe."

Zufrieden können die drei Künstler sein, die ein paar Schritte weiter die leer stehenden Räume der einstigen Bar D'Amato in eine lichte, ansprechende Galerie verwandelt haben - ein Höhepunkt der Kunstmeile. Der Geretsrieder Maler Wolfram Weiße, die Mooseuracher Keramikerin Marianne Süßbauer und ihr Mann Otto Süßbauer haben eine ansprechende Schau arrangiert und öffnen die Galerie jeden Tag zu festen Zeiten für Besucher. "Der Raum ist schon ganz nett", resümiert Süßbauer. "Und ich bin heilfroh, dass ich mit keinem Geschäftsinhaber rumstreiten muss, ob ich meine Kunst zwischen seine Unterhosen stellen darf."

Auch unter der Ladeninhabern, die sich mit auffallend viel Herzblut auf die Kunstschau eingelassen haben, fällt die Bilanz gemischt aus. "Sehr zufrieden" ist Hermann Ratte, der in seinem Zahnlabor am Untermarkt 8 auf zwei Stockwerken Bilder und Skulpturen des Italieners Enzo Arduini präsentiert - einen Künstler, den er zur Kunstmeile eingeladen hat: "Damit auch mal etwas Abwechslung reinkommt." Zwei Arbeiten hat Arduini schon verkauft.

Ganz anders sieht es in der Parfümerie Wiedemann am Obermarkt 11 aus, die sich für realistische Kuhbilder der Malerin Dorothee von der Osten entschieden hat. "Mir gefallen die Bilder, und sie passen zu Wiedemann, weil wir im Oberland verwurzelt sind", sagt Filialleiterin Birgit Demeter, die sich in der Sache engagiert hat. Die Resonanz der Besucher tendiere jedoch gegen Null: "Eine einzige Kundin hat bisher nach einer Visitenkarte gefragt."

© SZ vom 30.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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