Wolfratshausen:Klotzen statt klecksen

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Die "Schule der Phantasie" zieht dieses Wochenende in die ehemalige Waldorfschule am Untermarkt, am Montag soll schon der Unterricht beginnen. Das Haus teilt sich der Verein mit jungen Flüchtlingen

Von Konstantin Kaip, Wolfratshausen

Das Wochenende wird arbeitsreich für die Mitglieder des Vereins "Klecks". Denn an diesem Samstag zieht die "Schule der Phantasie" vom Obermarkt in ihre neuen Räumlichkeiten am Untermarkt 65. Um 9.30 Uhr gehe es los, sagt die Vorsitzende Kerstin Vetter. Dann müssen die Mitarbeiter der Kunstschule für Kinder und Jugendliche kistenweise Papiere, Werkbänke, Pinnwände, Lagerbestände und Büroeinrichtung in die neue Bleibe schaffen. Die ist zwar in der Luftlinie gerade einmal 500 Meter von den alten Räumlichkeiten am Obermarkt 20 entfernt. Aber durch das Holztor zum neuen Hof passt kein großer Lastwagen. Vetter ist daher dankbar über die zahlreichen Helfer, die sich angesagt haben. "Wir ziehen mit vielen, vielen Eltern um", sagt sie frohen Mutes.

Dennoch wird der Umzug sportlich: Für den bleibt nämlich nur der Samstag, am Sonntag sollen die neuen Räume eingerichtet werden. Denn schon am Montag geht das tägliche Angebot für die Klecks-Kinder weiter, um 9 Uhr kommt bereits die "kleine Gruppe" mit Kindergartenkindern, die ihre neuen Räume gleich kreativ nutzen soll. Wenn alles nach Plan geht, haben die Kinder dann deutlich mehr Platz als bislang. "Jeder Raum ist größer", freut sich Vetter, als sie durch das neue Domizil führt. Durch das Holztor vor dem linken Gebäudeflügel geht es durch den eigenen Eingang an der Rückseite des Gebäudes ins Erdgeschoss. Über den Flur nach links gelangt man zu der 25 Quadratmeter großen Holzwerkstatt mit Zugang zu einer großzügigen Küche, die komplett eingerichtet ist. Der Verein konnte sie, wie sie ist, von der Freien Waldorfschule übernehmen, die bis 2014 in dem Gebäude war. Die einen Meter dicken Wände zeugen noch vom Ursprung des Gebäudes, das Anfang des 19. Jahrhunderts als Gefängnis errichtet wurde.

Anpacken für die Kunst: Kerstin Vetter und Jugendleiter Levin Schulte-Spechtel (links) schaffen Platz für den Umzug. (Foto: Hartmut Pöstges)

Rechts vom Eingang liegt das neue Büro und der 60 Quadratmeter große Hauptraum. Den haben die Klecks-Mitarbeiter schon mit einem großen, quer aufgestellten Regal geteilt, um aus dem hinteren Bereich einen Malraum zu machen. Gleich hinter der Eingangstür hat der Eigentümer Stefan Roeckl, Senior der Münchner Handschuh-Dynastie mit Wohnsitz in Icking, in einem ehemaligen Putzraum eine Toilette einbauen lassen. "Herr Roeckl hat sich toll eingesetzt für uns", betont Vetter. "Er wollte ein soziales Haus, in dem wieder Kinder einziehen, und hat uns auch das Tor spendiert."

Die Renovierung der Räume hat der Verein in Eigenregie übernommen: den Boden erneuert, die Wände gestrichen, hie und da mit Hilfe professioneller Handwerker. "Seit Monaten sind wir hier beschäftigt", sagt Vetter. Vergangene Woche haben Arbeiter noch die letzten Kleinigkeiten erledigt, Glühlampen installiert und ein Waschbecken.

Die "Schule der Phantasie", in der jede Woche insgesamt 160 Kinder und Jugendliche unterrichtet werden, sucht schon seit Jahren eine neue Bleibe. Weil die Gruppen mehr Platz brauchen und am bisherigen Standort kein Hof zur Verfügung steht, wie Vetter erklärt. Im Dezember 2014 habe man die ersten Verhandlungen mit Roeckl geführt. Konkret wurde es dann, als der Landkreis Bedarf für die anderen zwölf Zimmer des Gebäudes und die Container auf dem Grundstück hatte. Dort werden nun 12 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge untergebracht, unter Verwaltung der Münchner Jonas Better Place gGmbH, die bereits diverse Wohngruppen und Unterkünfte betreibt. Hauptmieter der ehemaligen Waldorfschule ist das Landratsamt, das die Räume im Erdgeschoss an "Klecks" untervermietet. Bei Gesprächen im Landratsamt habe man schon angeboten, dass die jugendlichen Flüchtlinge an der offenen Werkstatt am Samstag teilnehmen können, sagt Vetter. Denkbar seien auch Kurse am Abend, zugeschnitten auf deren Interessen, etwa für Fahrrad-Reparaturen oder andere Workshops.

Baulich aber sind die beiden Einrichtungen streng getrennt: Die Verbindung auf dem Flur im Erdgeschoss zum anderen Gebäude wurde zugemauert, die Eingänge bleiben separat. Vetter hat es "verwundert, dass da sehr betont keine Verbindung gewünscht wird". Allerdings werden die jugendlichen Flüchtlinge, von denen viele stark traumatisiert sind, auch ihre Rückzugsräume brauchen.

Kerstin Vetter freut sich nun über die neuen Möglichkeiten, mit denen der Verein auch das Angebot erweitern will. Der erste Schritt ist ein neuer Holzschnitzkurs in der deutlich geräumigeren Holzwerkstatt, der nach den Osterferien beginnt. Welche Angebote noch hinzukommen, werde man sich dann bis zum Dezember überlegen, wenn das neue Programm erscheint. Die neue Bleibe, sagt Vetter, sei "wirklich ein Glücksgriff": Immer noch nahe am Bergwald und somit an der Natur, dafür aber mit eigenem Hof, in dem die Kinder an warmen Tagen im Freien arbeiten könnten. Und innen endlich genug Platz. "Das ist wirklich optimal jetzt."

Auf dem alten Grundstück wird der Verein noch einige Baumhäuser abmontieren müssen. Das aber schaffe man erst nach den Osterferien, sagt Vetter. Das große Einweihungsfest soll dann am 4. Juni im Rahmen der Jahresausstellung steigen. Die jugendlichen Flüchtlinge und neuen Nachbarn seien dann ausdrücklich dazu eingeladen.

© SZ vom 05.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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