Wolfratshausen/Eurasburg:Bewährungsstrafe für Nazi-Parolen

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Gericht verurteilt Duo, das betrunken rechte Hetzrufe gegrölt hat

Von Benjamin Engel, Eurasburg

Als die beiden jungen Männer auf dem Weg durch Eurasburg schlimmste antisemitische Parolen grölten, waren sie ziemlich betrunken. Die zwei 21-Jährigen hatten den Nachmittag nahe des Loisachufers am südlichen Ortsrand verbracht, Musik gehört und einen Kasten Bier leer getrunken. Zwei Promille ergab der Alkoholtest bei einem der beiden. Anschließend gingen sie im Oktober vorigen Jahres gegen 20.40 Uhr zum Sportplatz. Die Männer zeigten laut Anklage den "Hitlergruß", riefen "Sieg Heil" und grölten "Alle Schwarzen und Juden gehören raus" - und dass diese vergast gehörten. Anwohner hörten das und alarmierten die Polizei, die das Duo aufgriff.

Vor dem Amtsgericht Wolfratshausen wurden der Verkäufer und der Straßenbauarbeiter aus dem Landkreis am Montag zu sieben, beziehungsweise sechs Monaten Bewährungsstrafe wegen Volksverhetzung sowie Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verurteilt. Zudem sollen sie 500 Euro an den Verein "Arbeit für Jugend" und 1500 Euro an den Verein "Bürger für Bürger" zahlen. Wäre es nach der Staatsanwältin gegangen, hätte der etwas jüngere Verkäufer sogar neun Monate im Gefängnis verbringen müssen. Denn der junge Mann ist auf Bewährung, weil er 2019 wegen Beleidigung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte verurteilt worden war.

Wie es zu den antisemitischen Ausfällen gekommen sei, könne er sich selbst nicht erklären, sagte der Verkäufer vor Gericht. "Wir hätten alles schreien können." Womöglich sei das Ziel gewesen, provokativ zu sein. Später habe er sich dafür geschämt, vor allem, als er sein Verhalten seiner Mutter beichten musste. Schließlich habe er sich neue Ziele im Leben gesetzt, er wolle nun beruflich Karriere machen. Laut seinem Verteidiger hatte sich die Situation womöglich durch den vielen Alkohol und die Musik hochgeschaukelt. Für sein eigentlich unentschuldbares Verhalten wolle sich sein Mandant entschuldigen. Insgesamt 1800 Euro habe er an die Initiative Exit-Deutschland gezahlt, die Aussteigewilligen helfe, sich von der rechtsextremen Szene zu lösen.

Mit rechtem Gedankengut nichts zu tun zu haben, betonten beide jungen Männer mehrfach. Sie arbeiteten beruflich mit Menschen mit Migrationshintergrund zusammen. Nur zu zweit seien sie an der Loisach gewesen, sagte der Straßenbauarbeiter. Jeder von ihnen habe schätzungsweise acht Halbe Bier getrunken. Dabei hätten sie Musik der Bands Rammstein und Böse Onkelz gehört. Am Sportplatz, wo ein Fußballspiel stattgefunden habe, hätten sie sich dann mit Freunden treffen wollen. Dort konnte die Polizei die beiden nach Zeugenbeschreibungen identifizieren. Die Männer seien sichtlich betrunken gewesen, sagte einer der Beamten. Nur der Verkäufer sei unkooperativ gewesen.

"Als ich die Vorwürfe gelesen habe, ist mir schon ganz anders geworden", sagte die Staatsanwältin. "Das geht überhaupt nicht." Für den Verkäufer, der noch dazu unter offener Bewährung gestanden habe, forderte sie eine Haftstrafe. Für den anderen Angeklagten plädierte sie auf sieben Monate Bewährungsstrafe. Aus Sicht des Verteidigers habe der Verkäufer selbst viel dafür getan, um das Geschehene wieder gutzumachen und ein ganzes Netto-Monatsgehalt an Exit-Deutschland gespendet. Eine Geldstrafe sei angemessen.

Die zwei Angeklagten waren bislang nicht unbescholten, beide saßen schon in Jugendarrest. Der Richter sprach von schlimmsten Parolen, würdigte aber, dass sich das Duo reuig gezeigt und gestanden habe.

© SZ vom 23.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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