Das alte Haus am Untermarkt 65 hat schon viele Zwecke erfüllt: Anfang des 19. Jahrhunderts als Gefängnis errichtet, beherbergte der Bau später fast 50 Jahre lang die Polizeiinspektion, dann die Freie Waldorfschule. Nun soll das Gebäude zur neuen Heimat für jugendliche Flüchtlinge werden - zu einem "festen Zuhause". So sagt es Sabine Faber, die für die soziale Integration der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge zuständig ist.
Faber arbeitet für die gemeinnützige Jonas Better Place gGmbH, von der die Jugendhilfeeinrichtung betrieben wird und die am Donnerstagnachmittag Vertretern der Stadt und des Landkreises offiziell vorgestellt hat. Die Räume, die vom Besitzer Stefan Roeckl angemietet und renoviert wurden, beherbergen seit Freitag eine Wohngruppe für männliche unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im Alter zwischen 14 und 18 Jahren. Zwölf Plätze gibt es dort insgesamt, in acht Einzel- und zwei Doppelzimmern im ersten Stock.
Aus dem Landkreis werden dort acht Jugendliche einziehen, sagte Ulrich Reiner vom Kreisjugendamt am Donnerstag. Die ersten vier, zwei Afghanen, ein Syrer und ein Eritreer, haben ihre Zimmer am Freitag bezogen. Die anderen sollen in den kommenden Wochen folgen. Die übrigen vier Plätze sollen von jugendlichen Flüchtlingen anderer Landkreise belegt werden. Das Landratsamt zahlt pro Bewohner einen Tagessatz, der laut dem Geschäftsführer der Jonas Better Place GmbH, Stefan Näther, zwischen 160 und 180 Euro liegt. Die Sätze seien "sehr schmal kalkuliert", würden transparent gemacht und beinhalteten alle Kosten, betont Näther.
Die Jugendlichen werden rund um die Uhr betreut. Insgesamt 5,5 Stellen für pädagogische Fachkräfte gibt es im Haus. Dazu werden die Bewohner, die von Erlebnissen in ihren Heimatländern und auf der Flucht zum Teil stark traumatisiert sind, psychologisch betreut. Das Team besteht aus Frauen, die alle schon Erfahrungen in der Betreuung minderjähriger Flüchtlinge haben: So war etwa Laura Heckert, die Leiterin der Wohngruppe, zuvor in der Notunterkunft für minderjährige Flüchtlinge in der Pullacher Burg Schwaneck tätig, und eine Kollegin in einer Außenstelle der Münchner Bayernkaserne. Im Team ist auch die ehemalige Wolfratshauser Stadträtin und Sozialreferentin Sibylle Ulbrich.
Die Jugendlichen, die alle mehrere Jahre in der Wohngruppe bleiben, sollen von dort die Schule besuchen oder eine Ausbildung absolvieren. Ebenso wichtig wie die Bildung sei jedoch die Gemeinschaft, sagte Näther am Donnerstag. Deshalb wolle man die neuen Bewohner auch möglichst rasch in bestehende Angebote in der Stadt und Umgebung, etwa von Vereinen, einbinden. "Ziel ist das eigenverantwortliche Leben", sagte Näther. Für jeden Bewohner sei im Vorfeld bereits in Zusammenarbeit mit gesetzlichem Vormund, Jugendamt und Betreuern ein individueller Hilfeplan mit konkreten Zielen erstellt worden.
Im ersten Stock befinden sich neben den Zimmern für die Jugendlichen und den Betreuer im Nachtdienst auch Toiletten, Duschräume und eine Waschküche. Im Erdgeschoss gibt es einen großen Gemeinschaftsraum samt Küche mit offener Theke. Hier werden die Bewohner zunächst jeden Abend gemeinsam mit den Betreuerinnen kochen. Später sollen sie selbst einkaufen und ihre Mahlzeiten zubereiten. Zum Reifeprozess der Jugendlichen gehören auch feste Regeln: So gibt es etwa bestimmte Internet- und Fernsehzeiten, und wochentags müssen alle um 22 Uhr Zuhause sein, um 23 Uhr ist Bettruhe. Am Wochenende haben sie eine Stunde länger Zeit und dürfen auch später frühstücken.