Wolfratshausen:Demut und Lebenslust

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Der Jugendkammerchor bei seinem Auftritt in St. Andreas. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Jugendkammerchor besticht mit stilistischer Vielfalt in St. Andreas

Von Sabine Näher, Wolfratshausen

Alte Musik, Romantik, Moderne und Traditionals: In vier Blöcke hatte Chorleiter Christian Preißler das Konzert seines Jugendkammerchores in der Wolfratshauser Kirche St. Andreas gegliedert. Solch stilistische Vielfalt kann einem Ensemble leicht zum Verhängnis werden. Doch die jungen Sänger meisterten die Herausforderung. Klangprächtig schon die Eröffnung: "Also hat Gott die Welt geliebt", ein wunderbar sprechender Satz des Komponisten Heinrich Schütz (1585-1672). Die Musik atmet ganz organisch und lebt; der Chor klingt warm und rund.

Preißler arbeitet mit weich fließenden Dirigierbewegungen. Zu Giovanni Pierluigi da Palestrinas (1525-1594) "Sicut cervus" formiert sich aus dem Chor heraus das neunköpfige Ensemble Farbton mit vier Frauen- und fünf Männerstimmen. Es überzeugt mit guter Klangbalance und souveräner Interpretation. Hinüber auf die Insel geht es mit vier Stücken Henry Purcells (1659-1695), die der Chor mit Innigkeit gestaltet. Der zweite Block entfaltet mit Camille Saint-Saens (1835-1921) "Ave verum" sogleich den nötigen schwärmerisch romantischen Ton und großen Gestus. Felix Mendelssohns (1809-1847) "Richte mich, Gott" lässt den Männerchor prägnant skandieren, während die Frauenstimmen bei ihren lyrischen Einwürfen zunächst unter Intonationsproblemen leiden; der Tutti-Aufschwung gelingt dann aber. Zu Joseph Rheinbergers (1839-1901) "Abendlied", einer Perle der Literatur, tritt wieder das Ensemble Farbton hervor und berührt mit seiner demütig bittenden Haltung.

Gerade in diesem Block stört es, wenn die Zuhörer nach jedem Stück applaudieren. Zumindest die im stilistischen Block zusammen gefassten Nummern hätte man doch gerne ohne Unterbrechung genossen. Den jungen Sängern signalisiert die sofortige Rückmeldung indes, dass ihre Darbietung ankommt.

Die Musik aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bringt keine Moderne, die einen Hörer verstören könnte, sondern gut fassbare, sprechende Musik. Javier Bustos (*1949) "Ave Maria" kommt wie ein bewegtes Zwiegespräch mit der Gottesmutter, ohne jegliches frömmelnde Pathos. Urmas Sisak (*1960) lässt die Männerstimmen in "Deo gratias" einen weichen Klangteppich legen, über den die Frauenstimmen hinweg schreiten können. In zunehmender Verflechtung entsteht dann ein spannender Dialog. Das Stück begeistert ganz besonders.

György Orbans (*1947) "Daemon irripit callidus" entwickelt mit seinem stark rhythmisierten Sprechgesang einen wieder ganz anderen Reiz. Mit drei Traditionals betreten die jungen Sänger dann einen Boden, auf dem sie sich offenbar besonders wohl fühlen. "Elijah Rock" etwa kommt ebenso prägnant akzentuiert wie schön gesungen und entwickelt eine packende Atmosphäre. Mit "I hear a voice a-prayin'" werden die Grenzen zur Kirchenmusik hiesiger Prägung dann vollends überschritten: Es swingt! Und versprüht unbändige Lebenslust. Beifall über Beifall in der dicht besetzten Kirche - und die Frage, was man noch zugeben kann, wenn man die Highlights der Literatur alle schon ins Programm gepackt hat. Doch Preißler hat da noch was in der Hinterhand: Ein fast andächtiges, unmittelbar fesselndes Stück, das mit großer Ruhe ausmusiziert wird. Es ist "A Gaelic Blessing" von John Rutter (*1945).

Am Montag, 17. Juli, 19 Uhr, tritt der Jugendkammerchor gemeinsam mit dem Jugendkonzertchor Dortmund in der Loisachhalle auf; Eintritt frei

© SZ vom 03.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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