Wolfratshausen:Das Gedächtnis der Stadt

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Die Loisachstadt hat eine tausendjährige Geschichte. Die Dokumente aus dieser langen Zeit sind im neuen Archiv gut zugänglich. Am Montag wurde es eröffnet.

Von Wolfgang Schäl, Wolfratshausen

Größer könnte der Unterschied kaum sein. Waren die Schriftstücke und Archivalien, in denen sich die mehr als tausendjährige Wolfratshauser Historie niederschlägt, zwei Jahrzehnte lang extrem beengt und unter höchst ungeeigneten raumklimatischen Bedingungen im Pumpenhäuschen am Loisachufer gelagert worden, so verfügt die Stadt jetzt in den umgebauten Räumen der ehemaligen Landwirtschaftsschule über ein geräumiges, helles und hochmodernes Archiv. Es lädt zum Stöbern in der Geschichte ein und verfügt zudem noch über große Vorratsflächen.

Weil sie ein echtes Vorzeigeobjekt ist, wurde die Einrichtung an der Bahnhofstraße am Montagabend im großen Rahmen eingeweiht, mit Musikeinlagen der städtischen Musikschule, Böllersalven der Gebirgsschützenkompanie und vielen Festgästen, darunter Stadträte, Kulturpreisträger, Ratsoberhäupter, Vertreter der Regierung und des Historischen Vereins.

Es biete sich hier die Möglichkeit, "mit der Geschichte hautnah in Verbindung zu treten", sagte Bürgermeister Klaus Heilinglechner in seiner Ansprache. Natürlich sei der Wegzug der Landwirtschaftsschule ein schmerzlicher Verlust gewesen, dafür habe man in dem mehr als hundert Jahre alten, "charmanten Gebäude" jetzt aber einen idealen Platz gefunden, um den Werdegang der Stadt darzustellen. Das gelte insbesondere für die Entwicklung der Flößerei als dem einst wichtigsten Gewerbe - schließlich seien im Jahr 1850 noch mehr als 9000 Flöße in Richtung München unterwegs gewesen. Ein bedeutsamer Teil der Heimatgeschichte ist Heilinglechner zufolge aber auch die Entwicklung des Lagers Föhrenwald zum heutigen Ortsteil Waldram. Hierzu gebe es Meldebücher und Zeitzeugeninterviews.

Die frühere Landwirtschaftsschule wurde zum Stadtarchiv umgebaut. Es entstand ein "charmantes Gebäude", wie Bürgermeister Heilinglechner bei der Eröffnung sagte. (Foto: Hartmut Pöstges)

Auf die Bedeutung Waldrams hob ebenso Kultur-Staatssekretär Bernd Sibler ab. Sie sei ein wichtiger Teil der örtlichen Geschichte, viele Quellen hierzu gelte es erst noch zu entdecken, sagte er. Mit spannenden Funden sei immer zu rechnen, auch wenn man nicht davon ausgehen könne, auf Bücher zu stoßen, die, wie unlängst in der Augsburger Staatsbibliothek, mit Originalseiten aus einer Gutenberg-Bibel eingewickelt seien. Quellen müsse man entdecken und dokumentieren, und dies beinhalte "eine besondere Faszination", schließlich handele es sich hier um "Gedächtnisspeicher für Staat und Gesellschaft".

Den Aspekt "Gedächtnis" betonte nicht zuletzt Landrat Josef Niedermaier. Die "lange Leidenszeit" des Wolfratshauser Archivs gehe nunmehr zu Ende. Natürlich sei keine Kommune besonders erfreut, wenn sie in Erfüllung einer Pflichtaufgabe in Archive investieren müsse, dies aber sei auf jeden Fall lohnend. So hätten sich in Bad Tölz die Zugriffszahlen mittlerweile verfünffacht. Das Gedächtnis einer Stadt müsse alles behalten, denn "wer nicht weiß, wo er herkommt, weiß auch nicht, wo er hingeht". In diesem Sinne wünschte Niedermaier den Wolfratshausern "viel Freude mit der Geschichte".

Zur Eröffnung kamen am Montagabend zahlreiche Gäste nach Wolfratshausen. (Foto: Hartmut Pöstges)

Ergänzend dazu wies Michael Unger, stellvertretender Leiter des Münchner Staatsarchivs, darauf hin, dass staatliche Archivare nicht nur Dienstleister seien, sondern auch für die rechtlichen Belange zuständig und gehalten seien, auch kommunale Archive wie das in Wolfratshausen zu unterstützen. Deren historische Schriftstücke haben nach Ungers Schilderung verschlungene Wege zurückgelegt, waren 1943 zum Schutz vor den Kriegswirren im Schloss Eurasburg und danach in München untergebracht, bis sie 1977 per Lkw wieder nach Wolfratshausen zurückgebracht und zunächst im heutigen Heimatmuseum eingelagert waren. Danach, 1997, kamen sie ins ehemalige Pumpenhäuschen. Die Geschichte des Wolfratshauser Archivs erläutert auch eine anlässlich der offiziellen Eröffnung von der Stadt herausgegebene Festschrift.

Bei einem Rundgang erhielten die Festgäste die Möglichkeit, die Einrichtung kennenzulernen. Die technischen Details erläuterten Projektleiter Thomas Wenig vom Wolfratshauser Bauamt und der neue, ob seines Engagements allseits hochgelobte Stadtarchivar Simon Kolleder. Beeindruckend sind auf den ersten Blick vor allem die schweren, raumhohen Rollregale, die sich mit leichter Hand in Bewegung setzen lassen. Daneben stehen die Vitrinen mit ihren historisch bedeutsamen Schriftstücken. Im geräumigen, hellen Lesesaal kann man sich in die Schriftstücke vertiefen. Es gibt Stahlschränke für besonders wertvolle Objekte und technische Einrichtungen zur Kontrolle der Luftfeuchtigkeit und der Temperatur. Um Wasserschäden schnell erkennen zu können, sind alle Leitungen über Putz verlegt.

© SZ vom 27.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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