Wolfratshausen:Brutale Attacke auf 58-Jährigen

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23-jähriger Geretsrieder schlägt sein Opfer krankenhausreif und erhält eine Bewährungsstrafe. Seine Freundin soll dem Mann laut Anklage gegen den Kopf getreten haben. Der Mann hätte bei dem Angriff auch sterben können

Von Thekla Krausseneck, Wolfratshausen

Als Walter P. ( Name geändert) am 8. Juni 2014 von einer Geburtstagsfeier nach Hause ging, ahnte er nicht, dass die Nacht für ihn im Krankenhaus enden würde. Der 58-jährige Geretsrieder schob sein Fahrrad in den frühen Morgenstunden gegen 3.20 Uhr durch den Steiner Ring in Geretsried, als er zufällig auf ein junges Paar stieß. Der Mann, ein 23-jähriger, stark betrunkener Geretsrieder, schlug Walter P. ohne Grund nieder, sprang ihm auf die Brust, hieb ihm die Fäuste ins Gesicht und forderte seine Freundin dazu auf, das Opfer mit Füßen zu treten. Dass Walter P. diesen Angriff ohne bleibenden Schaden überstand, war nach Ansicht des Amtsgerichts Wolfratshausen großes Glück. Er hätte auch sterben können. Das Gericht verurteilte den jungen Geretsrieder am Montag wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung.

Dass der Angeklagte die Tat von Anfang an zugegeben hatte, wirkte sich mildernd auf das Urteil aus. "Es war schon so", sagte er, nachdem die Staatsanwältin die Vorwürfe vorgelesen hatte. Er habe gerade das Taxi bezahlt, das er mit seiner Freundin genommen hatte, als er gehört habe, wie diese mit dem fremden Mann diskutiert habe. Er sei dazugestoßen und habe zugeschlagen, sie seien zu Boden gegangen und hätten zu raufen begonnen. Als er sich von seinem Opfer festgehalten fühlte, habe er seiner Freundin zugerufen, sie solle zutreten. Die Freundin soll laut Anklage auf den Kopf gezielt haben - und muss sich deshalb ebenfalls wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten. Da ihr Anwalt aber derzeit im Krankenhaus liegt, vertagte Richter Helmut Berger die Verhandlung und schickte die Angeklagte nach Hause. Zu einer angeblichen Diskussion mit dem Opfer konnte sie nicht befragt werden.

Diese Diskussion hatte es nach Aussage des Opfers nämlich gar nicht gegeben: Er sei rein zufällig auf dem Heimweg an den beiden vorbeigekommen, als ihn die junge Frau mit den Worten "Was schaust du mich so blöd an?" angefahren habe. Dann sei auch schon die Faust geflogen. "Das will man sich in seinen schlimmsten Alpträumen nicht vorstellen", sagte Berger. Der Geschädigte habe zu dem Angriff nicht mehr beigetragen, als zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen zu sein. "Das hätte ich, das hätte jeder sein können." Zeuge des Angriffs wurde ein Anwohner, der beim Opfer blieb, bis die Polizei eintraf. Die Angeklagten hatten sich da schon aus dem Staub gemacht. Walter P. ließen sie in einem entsetzlichen Zustand zurück: Mit einer Gehirnerschütterung, einer Platzwunde am Kopf, einem Hämatom am Auge und Rückenschmerzen war er nach dem Angriff zwei Wochen lang arbeitsunfähig. Er habe Glück gehabt, sagte Berger: Die Tritte hätten auch innere Blutungen auslösen und den Mann töten können.

Der Angeklagte gab zu, ein Alkoholproblem zu haben, zu trinken begonnen habe er mit 15 Jahren. An jenem Juniabend habe er eine ganze Flasche Wodka getrunken - allein. Er wisse, dass Alkohol ihn aggressiv mache. Warum er trotzdem zur Flasche gegriffen habe? "Wir haben gefeiert und alles ging so schnell, und dann war die Flasche leer." Die Staatsanwältin lobte zwar die Offenheit des Angeklagten, kritisierte aber die hohe Rückfallgeschwindigkeit. Nur ein halbes Jahr später war es zu einem ähnlichen Fall gekommen, diesmal in der Gaststätte Isarwinkel. Nach zehn Bieren stark betrunken, habe er wieder gesehen, wie seine Freundin mit einem Mann diskutierte, und wieder habe er zugeschlagen - zwar könne er sich daran wegen Blackouts nicht erinnern, doch "das wird schon so gewesen sein", sagte der 23-Jährige. In den vergangenen Monaten habe er einen Kurs der Caritas besucht, um seine Sucht in den Griff zu bekommen. Inzwischen sei er von bis zu sieben Bieren am Tag runter auf fünf Biere in der Woche. Der Verurteilte hatte sich schon mehrfach wegen Körperverletzung und Sachbeschädigung verantworten müssen, zweimal saß er Freizeitarreste ab.

Beim Opfer hatten sich die Schläger vor der Verhandlung entschuldigt, beide Seiten stimmten einem Vergleich zu: 2680 Euro muss der Angeklagte an sein Opfer zahlen, davon 2500 Euro Schmerzensgeld, in monatlichen Raten von 200 Euro. Außerdem trägt der 23-Jährige die Anwalts- und Gerichtskosten, zusätzlich zu den 1000 Euro, die er laut Gerichtsurteil an die Caritas zahlen muss. Einen Lichtblick gibt es für den Mann, der die Förderschule besuchte und nie eine Ausbildungsstelle fand: Seit April hat er eine feste Stelle. Eine positive Entwicklung - für das Gericht ein Grund, die Strafe zur Bewährung auszusetzen.

© SZ vom 28.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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