Wolfratshausen:Aufruhr in der Kirche

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Pfarrgemeinderatsmitglied soll "untragbaren" Asyl-Text im Internet verbreitet haben

Von David Costanzo, Wolfratshausen

Schwere Anschuldigungen erschüttern die katholische Kirche in Wolfratshausen: Drei verwandte und nach eigenen Angaben sehr aktive Mitglieder der Gemeinde werfen einem Mitglied des Pfarrgemeinderats vor, im Internet einen Text weiterverbreitet zu haben, in dem Flüchtlinge gegen andere Hilfsbedürftige ausgespielt werden. Das Schreiben sei nach wenigen Tagen gelöscht worden. Zudem kreiden sie Dekan Gerhard Beham in einem namentlich unterzeichneten Leserbrief an die SZ Bad Tölz-Wolfratshausen an, er habe versucht, "unter Ausschluss der Öffentlichkeit Gras über die Sache wachsen zu lassen". Der Priester bestätigt den Vorgang, nimmt das Pfarrgemeinderatsmitglied aber in Schutz. Den Anklägern wirft er eine "Hetzkampagne", "Verleumdung" und "Agitation" vor und kündigt rechtliche Schritte an. Das angegriffene Mitglied selbst will sich nicht äußern, weil ein Anwalt eingeschaltet worden sei.

In dem Leserbrief machen die Drei den Vorwurf öffentlich, auf Nachfrage schickt einer von ihnen ein Bild, das die Internet-Seite zeigen soll. Das Pfarrgemeinderatsmitglied habe Anfang September auf seiner Facebook-Seite den verzeichneten Text geteilt, der für jedes Mitglied des sozialen Netzwerks einsehbar gewesen sei. Darin heißt es: "Stellen wir uns einfach mal vor, Kindergärten würden im selben atemberaubenden Tempo wie Asylheime aus dem Boden schießen". Weiter werden Hilfen für Flüchtlinge auf Familien übertragen: "Hunderte Gutmenschen stehen mit Blumensträußen vor der Entbindungsklinik." Und: "Kinderfeindlichkeit wird als Volksverhetzung geahndet." Oder: "Wenn Kinder ohne Frühstück in die Schule kommen, stehen die Linken und Grünen mit ,Fressbeuteln' bereits im Schulhof."

Der Inhalt, heißt es in dem Leserbrief, gehe auf einen Neonazi zurück. Das Pfarrgemeinderatsmitglied habe ihn nach wenigen Tagen wieder gelöscht, nachdem es dafür kritisiert worden sei. Zuvor wollen die Drei im gleichen Facebook-Profil des Pfarrgemeinderatsmitglieds ein Foto entdeckt haben, das ebenfalls gelöscht worden sei. Auf dem Bild, das auf Nachfrage verschickt wurde, ist ein Schild abgebildet mit der Aufschrift: "Für Familien mit Kindern ist kein Geld da, für uns Alte schon gar nicht. Aber zusätzliche Millionen für Asylanten. Danke, Ihr korrupten Politiker." Das Foto sei ebenfalls gelöscht worden.

Einer der Leserbrief-Schreiber sagt, man werfe dem Pfarrgemeinderatsmitglied ausdrücklich nicht vor, "rassistisch", "rechtsradikal" oder ein "Neonazi" zu sein - das Mitglied sei sogar "sehr engagiert". Kritisiert werde, dass das Pfarrgemeinderatsmitglied trotz des öffentlichen Amtes in der Kirche Äußerungen teilt, in denen Flüchtlinge gegen andere ausgespielt würden. In dem Leserbrief wird die Frage aufgeworfen, ob es in Ordnung sei, wenn das Mitglied den Post zwar lösche, nachdem es dafür kritisiert worden sei, aber weiterhin die darin geäußerte Meinung vertrete. Es gebe eine umfangreiche Korrespondenz mit der Gemeinde. Von Pfarrei und Pfarrer habe man sich eine "ehrlichere Diskussion" gewünscht, man sei vom Umgang damit "persönlich enttäuscht". Es sei möglicherweise der bequemere, aber sicher der falsche Weg, auf solche Äußerungen wie der Pfarrer zu reagieren.

Dekan Gerhard Beham weist alle Vorwürfe entschieden zurück. Er bestätigt jedoch auch, dass das Pfarrgemeinderatsmitglied kurzzeitig einen Text veröffentlicht habe, der "klar untragbar" sei. Er könne sich an den Wortlaut nicht genau erinnern. Aber die Sache sei im Pfarrgemeinderat besprochen worden mit dem einhelligen Tenor, dass der Inhalt ein "No-Go" sei.

Er nimmt das kritisierte Mitglied in Schutz: Es habe sich Anfang September im Urlaub befunden und womöglich aus "Unbedarftheit" im Internet agiert. Auf Facebook genügten für einen Klick fünf Sekunden, in denen das Pfarrgemeinderatsmitglied womöglich nur das Stichwort "Familie" wahrgenommen habe. Schließlich sei der Text nach kurzer Zeit gelöscht worden. Die Aussprache im Pfarrgemeinderat habe ergeben, dass das Mitglied tragbar sei. Für ihn als Priester sei die Praxis entscheidend: Das Mitglied sei sehr engagiert und die Pfarrei tue viel für Flüchtlinge.

Den Leserbrief-Schreibern wirft er wiederum mangelnde Gesprächsbereitschaft vor. Sie agierten "hetzerisch". Darum wolle er das Erzbischöfliche Ordinariat einschalten.

© SZ vom 23.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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