Wolfratshausen:Abrechnung vor Gericht

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Supermarkt-Mitarbeiter wirft Ex-Chef Unterschlagung vor

Von Benjamin Engel, Wolfratshausen

"Er hat nie verstanden, dass ich ihm als wesentlich Jüngerer Aufgaben erteilt habe": So schildert der 20-jährige frühere stellvertretende Filialleiter sein Verhältnis zu einem 32-jährigen Mitarbeiter. Mit dem aus seiner Sicht gespannten Verhältnis erklärt er sich, warum der Ältere ihm vorwirft, Einnahmen in der Lidl-Filiale in Holzkirchen unterschlagen zu haben. Beide waren im April für das Abrechnen der Einnahmen aus einer Spätschicht im Supermarkt verantwortlich. Der Filialen-Stellvertreter aus dem Landkreis soll 7600 Euro unterschlagen haben, weswegen beide nun am Amtsgericht Wolfratshausen wieder aufeinandertrafen.

In der Holzkirchner Filiale waren am 20. April dieses Jahres gegen 20 Uhr nur der Angeklagte, der ältere Mitarbeiter und eine 46-jährige Mitarbeiterin anwesend. Die Frau soll mit Reinigungsarbeiten beschäftigt gewesen sein, als die beiden anderen die letzte Kasse der Spätschicht abrechneten.

Nach den Vorwürfen des Mitarbeiters soll ihn der frühere Filialen-Stellvertreter aus dem Büro, in dem sich der Tresor befindet, entgegen der Vorschriften für zehn bis 20 Minuten zum Putzen weggeschickt haben. Währenddessen soll er alleine abgerechnet haben und den Kollegen nur noch zum Unterschreiben hereingerufen haben. Dem kam der Ältere auch nach. Der Angeklagte soll den sogenannten Safe Bag mit dem Geld an sich genommen und nicht in den Tresor geräumt haben.

Nach Unternehmensvorgaben sollen immer zwei Mitarbeiter die Einnahmen der jeweiligen Früh- und Spätschicht nach dem Vier-Augen-Prinzip abrechnen. Die Mitarbeiter wiegen das Geld aus den Kassen gemeinsam ab. 500 Euro verbleiben als Wechselgeld in der Kasse des jeweiligen Mitarbeiters. Der überschüssige Betrag kommt in einen sogenannten Safe Bag, einen Plastikbeutel, der per Strichcode vom Computer erfasst wird. Beide Mitarbeiter unterschreiben zwei Einzahlungsbelege. Einer kommt in den Plastikbeutel, der andere in einen Ordner. Dann versiegeln sie den Safe Bag und werfen diesen in ein dafür bestimmtes Tresorfach.

Ein Geldbote holt in der Holzkirchner Filiale einmal in der Woche die gesamten Einnahmen ab. Er stellte fest, dass nur elf statt zwölf im Computer verbuchter Safe Bags vorhanden waren. Es fehlte der Beutel, den der stellvertretende Filialleiter und sein älterer Mitarbeiter abgezeichnet hatten.

Der Angeklagte erklärte, dass diese Darstellung nicht stimme. Sie seien beim Abrechnen zusammen im Raum gewesen, hätten die Belege unterschrieben und den Safe Bag gemeinsam im Tresor verstaut. Danach sei der Mitarbeiter gegangen. Er selbst habe die sogenannte Tageskasse alleine erstellt, das heißt, den Geldbestand im Tresor überprüft.

Der 32-Jährige erklärte, den Jüngeren stets problemlos als Chef akzeptiert zu haben. Vor Gericht wiederholte er seine Vorwürfe. Der Vorgesetzte habe ihn aus dem Büro hinausgeschickt. Beim Unterschreiben habe er den Safe Bag noch auf dem Bürotisch gesehen, aber nicht mitbekommen, wie und ob sein Vorgesetzter den Beutel i n den Tresor geräumt habe. Der Mann verstrickte sich aber auch in Widersprüche. Vor der Polizei hatte er noch ausgesagt, der Angeklagte habe in späteren Gesprächen mit Vorgesetzten zugegeben, alleine abgerechnet zu haben, einen Vorwurf, den er vor Gericht nicht wiederholte.

Ebenfalls vor der Polizei hatte ein weiterer Mitarbeiter dasselbe ausgesagt, was er nun ebenfalls nicht wiederholte. Der 28-jährige hatte den Tresor gemeinsam mit dem Geldboten geöffnet und den fehlenden Safe Bag festgestellt. Der Filialleiter erklärte, dass sowohl dieser Mitarbeiter als auch der 32-Jährige unzuverlässig gewesen seien. Er habe öfters Differenzen in deren Kassen festgestellt. Die Verhandlung wird fortgesetzt.

© SZ vom 08.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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