Zum Film von Max Kronawitter:"Wie kann dieser Willi altern?"

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Kinderfernsehen-Star Willi Weitzel ist Gast beim Wunderflke-Festival. (Foto: Max Kronawitter)

Vater werden und Kind bleiben, die Welt betrachten und nicht verzweifeln - ist das möglich? Der Kinderfernsehen-Star Willi Weitzel wird nächstes Jahr 50. Und hat sich zwangsläufig einige Gedanken gemacht.

Von Stephanie Schwaderer

Willi Weitzel hat Millionen Kindern und Eltern die Welt erklärt. Seine Sendung "Willi wills wissen" lief 174 Folgen lang im Kika und im "Ersten". Vor elf Jahren dann der Bruch. Die Quoten sind gut, aber Willi steigt aus. Warum? Der Eurasburger Dokumentarfilmer Max Kronawitter ist dieser Entscheidung auf den Grund gegangen und hat den mittlerweile 48-jährigen Welterforscher ein halbes Jahr lang begleitet. Sein Film "Willi will noch mehr wissen" zeigt Weitzel von einer sehr persönlichen Seite und beleuchtet die Frage: Wie kann man älter werden und sich sein Kindsein bewahren?

SZ: Willi oder Herr Weitzel, wie möchten Sie angesprochen werden?

Willi Weitzel: Da schlagen oft zwei Herzen in meiner Brust. Wenn Kinder auf mich zukommen und mich siezen, bin ich mittlerweile so weit, dass ich das gut über mich ergehen lassen kann. Ich muss nicht mehr sagen: Du kannst mich ruhig duzen. Darüber bin ich hinaus.

Aber das war nicht einfach für Sie?

Nein, es war eine Entwicklung. Als ich gemerkt habe, dass ich von den Kindern auch als Herr Weitzel akzeptiert bin, war das wohltuend für mich - zu wissen, dass ich den Willi in die grauen Schläfen mithineinnehmen kann und umgekehrt. Mittlerweile kann ich mit beiden Rollen selbstbewusst umgehen.

Vor elf Jahren haben Sie die Kinder-Kult-Sendung "Willi will's wissen" völlig unerwartet hingeschmissen. War das die Entscheidung eines Erwachsenen oder eines Kindes?

Ich denke, das war das innere Kind in mir, das gegen den Erwachsenen aufbegehrt hat. Das gesagt hat: Mich nerven verschiedene Dinge in diesem Leben, ich will frei sein! Der Erwachsene wäre viel strategischer vorgegangen, der hätte gesagt: Schau mal, was du dir hier aufgebaut hast, jetzt geht es doch erst richtig los. 2011 bin ich von der Bild-Zeitung unter die hundert beliebtesten Deutschen gewählt worden. Das Einzige, das man von mir wollte, war, dass ich einfach weitermache.

In Max Kronawitters Film sagen Sie: Jahrelang war ich der Willi, doch dann fing ich an, den Willi zu spielen. Wie haben Sie das gemerkt?

Meine Lebensumstände haben sich damals stark verändert. Ich bin Vater geworden. Relativ bald nach der Geburt meiner Tochter haben meine damalige Frau und ich uns getrennt. Das hat eine ganz andere Ernsthaftigkeit in mein Leben gebracht. Auch eine Traurigkeit. In dieser Phase ist es mir nicht mehr leicht gefallen, vor die Kamera zu gehen und den Unbedarften zu spielen. Die Sendung hat ja einige Preise gewonnen. Was dabei immer hervorgehoben wurde, war das Authentische. Genau das war nicht mehr da.

Auch mit dem Fernsehmoderator Willi Weitzel (rechts) war er immer wieder unterwegs. (Foto: Max Kronawitter/oh)

Was macht für Sie das Kindsein aus?

Wenn ich allein die Vielfalt meiner drei Töchter anschaue, merke ich, wie schwierig es ist, eine Definition von Kind zu finden. Für mich ist es das, was man im positiven Sinne naiv nennt: wenig Erfahrung, aber eine große Aufgeschlossenheit. Der Begriff unbedarft trifft es für mich gut. Die Fähigkeit zu staunen.

Weicht das Staunen über die Welt mit dem Älterwerden zwangsläufig dem Verzweifeln an der Welt?

Wie viele Eltern bin ich in den vergangenen Jahren durch echte Krisen gegangen. Man sieht das auch an meinen Projekten. Vor zehn, elf Jahren haben wir den Kinofilm "Willi und die Wunder dieser Welt" gedreht, das war eine unbedarfte Reise um den Globus. Ooooh, schaut euch das an: So sieht der Regenwald in Australien aus! Aaaah, krass, so viele Menschen leben hier! Auch bei den Eisbären waren wir und haben sie einfach nur bestaunt. Dass sie mit dem schmelzenden Eis zu kämpfen haben, kam in einem Halbsatz vor. Gerade habe ich den nächsten Kinofilm gedreht, "Willi und die Wunderkröte". Da stecken wir voll drin in der Umweltproblematik und muten den Kindern einiges zu.

Kinder wachsen heute in einer komplett anderen Welt auf als vor zehn Jahren.

Ja, und die Eltern stehen genauso hilflos da wie Kinder.

Die Klimakrise war schon vor zehn Jahren absehbar. Was hat sich verändert?

Es sind wohl erst die Erfahrungen, die auch uns Erwachsene aus unserer naiven Haltung herausholen. Da geht es uns wie Kindern. Auf einmal sehen wir, dass in Kanada die Wälder brennen, und all die anderen mit dem Klimawandel verbundenen Katastrophen. Das schüchtert uns sein. Und das macht es auch für mich schwierig, ein optimistischer Vater zu sein. Dabei möchte ich meine Kinder natürlich so erziehen, dass sie positiv in die Zukunft schauen und nicht von Ängsten geprägt sind.

Wie kann das gehen? Brauchen wir eine Wunderkröte?

Ich denke, mit dem Film ist uns etwas Wichtiges gelungen. Es gibt eine Krise, aber es gibt auch eine tolle Message: Wenn wir nur wollen, können wir etwas verändern! Wir müssen im Kleinen anfangen! In der Geschichte geht es um die Rettung eines Froschteichs. Ich halte bei einer Bürgerversammlung eine Rede und sage: Wenn wir es nicht schaffen, diesen kleinen Teich hier bei uns im Dorf zu bewahren, was soll aus dem Rest der Welt werden?

Das heißt, Sie spielen sich selbst?

Der Film ist amphibisch, halb Dokumentation, halb Spielfilm. Das Drehbuch wurde um mich herumgeschrieben. Mich gibt es in echt und einige Wissenschaftler, die ich auf meiner Reise treffe, auch. Alle anderen sind Schauspieler.

Seit 2013 touren Sie mit Ihrem Programm "Willis wilde Wege" durch Deutschland. Sie sind zum Beispiel mit einem Lastwagen voller Hilfsgüter an die syrische Grenze gefahren, um Flüchtlingskinder zu beschenken. Müssen Sie sich immer mehr anstrengen, um staunen zu können und andere daran teilhaben zu lassen?

Ich habe zum Glück meine Kinder, denen ich über die Schulter schauen kann. Tatsächlich muss ich - gerade auch nach den vielen eindrücklichen Erfahrungen von "Willi will's wissen" - aber aufpassen, nichts Abgebrühtes zu bekommen. Deshalb bin ich auch dankbar, dass ich seit zehn Jahren für die Sternsinger-Aktion tätig sein darf. Das sind Reisen, die mich immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholen, die mich erden und mich auch demütig machen.

In Kürze kommen Sie zum Wunderfalke-Festival nach Bad Tölz und bringen den Fotografen Konrad Wothe mit. Auf einem Trailer versprechen Sie Ihren Gästen mit leuchtenden Augen und einer ergreifenden Ernsthaftigkeit etwas ganz Besonderes, etwas, das sie noch nie gesehen haben. Ist diese Vorfreude echt? Oder sind Sie einfach auch ein guter Schauspieler?

Ich konnte das nur deshalb so ankündigen, weil ich mich am Tag zuvor mit Konrad Wothe getroffen hatte. Er kommt aus Penzberg und hat Fotos mitgebracht, die zur Corona-Zeit vor seiner Haustür entstanden sind. Erst dachte ich, Mensch, warum zeigt er nicht Delfine - er war ja schon überall auf der Welt. Aber dann habe ich diese Bilder gesehen und hatte Tränen in den Augen. Weil ich so gerührt war. Weil der so toll fotografiert! Ich bin mir sicher, dass er nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene dazu bringen wird, die Augen ganz weit aufzumachen. Wir müssen ja gar nicht nach Südafrika fliegen, um Wunderbares zu erleben, wir können uns einfach auf den Bauch in den Garten legen.

Beim Wunderfalke-Festival in Bad Tölz tritt Weitzel in Kürze zusammen mit dem Penzberger Fotografen Konrad Wothe auf, dessen Aufnahmen von heimischen Vögeln ihn hellauf begeistern. (Foto: Konrad Wothe/oh)

Sie sagten, Ihre Töchter helfen Ihnen, ans Kindsein anzuknüpfen. Wie verträgt sich das mit dem Vatersein?

Oft nervt es mich sehr, dass sie mich in eine so undankbare Rolle drängen, dass ich ständig Grenzen ziehen und erwachsen sein muss. Das mag ich überhaupt nicht. Mein Kapital ist es ja, ein ausgeprägtes inneres Kind zu haben. Zum Glück entlastet mich meine Frau an dieser Stelle sehr.

Ein Spruch, den Sie von sich als Vater nie hören wollten?

Ich werde gleich fuchsteufelswild. Den finde ich furchtbar. 20 Jahre oder länger hatte ich mir den verkniffen, aber dann ist er irgendwann doch aus mir herausgeplatzt. Ein Satz aus meiner Kindheit, meine Mutter hat ihn manchmal gerufen.

Sie werden nächstes Jahr 50. Haben Sie einen Geburtstagswunsch?

Eigentlich dachte ich, dass ich wunschlos glücklich bin. Aber dann hat Max Kronawitter mich ein halbes Jahr lang filmisch begleitet. Und ich habe zwangsweise intensiv über mein Leben reflektiert.

Auch Max Kronawitter ist einer, der es wissen will.

Ja, da sind wir uns ähnlich. Er hat immer wieder existenzielle Fragen gestellt. Das war anstrengend, aber zum Schluss wertvoll. Die intensive Auseinandersetzung mit der Frage: Wie kann dieser Willi altern? Was kann der machen? Wie kann es weitergehen? Das hat einige Prozesse in Bewegung gesetzt, aus denen so langsam Ideen wachsen. Ohne diese Nachfragerei wären die nicht entstanden. Deswegen bin ich jetzt freudig aufgeregt, was die Zukunft betrifft. Aus dem Nebel sind Wünsche hervorgeholt worden, die nochmals jenseits des Programms "Willis wilde Wege" liegen. Nach dem Drang nach Freiheit könnte eine neue Phase der Sesshaftigkeit beginnen mit ganz neuen Aufgaben.

Wird es eher in Richtung Kind oder in Richtung Erwachsener gehen?

Es geht um einen ganz bequemen Spagat. Ich kann die Sorgen, Ängste und Herausforderungen von Eltern gut verstehen und habe mir zugleich den Blick für die Bedürfnisse von Kindern bewahrt. Ich glaube, dass ich ganz gut vermitteln kann.

Max Kronawitter: "Willi will noch mehr wissen ", ARD-Sendereihe "Echtes Leben", Sonntag, 14. November, 17.30 Uhr. "Willis wilde Wege!" beim Wunderfalke-Festival, Kurhaus Bad Tölz, Samstag, 13. November, 11 Uhr, Karten zwischen 14,90 und 19,90 Euro unter www.wunderfalke.de

© SZ vom 04.11.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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