Danach hat sich Penzberg gesehnt: Nach vier Jahren des Sanierens und Planens füllen wieder Musik und Gelächter die Stadthalle. Der Saal mit seinen 350 Plätzen ist am Freitagabend bis auf sieben Tickets ausverkauft, auf der Bühne spielt zum Auftakt der Kabarettreihe die Formation Knedl & Kraut. Die Stimmung könnte nicht besser sein - am Ende fliegt sogar Unterwäsche. Veranstalter Thomas Breitenfellner ist zufrieden: "Ein super Start."
Alles klappt, obwohl es schnell gehen musste. Vor einem Jahr war die Penzberger Stadthalle noch eine Baustelle, und Breitenfellner ahnte nicht, dass er bald zum Protagonisten der neuen Penzberger Kulturszene avancieren würde. Im April erreichte ihn ein Anruf, erstmals besuchte er die Baustelle, begann danach mit dem Entwurf eines Sommerprogramms. Normalerweise werden Veranstaltungen ein Jahr im Voraus geplant, die Tickets früh angeboten. Der Vorverkauf für "Knedl & Kraut" indes begann erst im vergangenen Dezember - und lief trotzdem gut. Als nächstes tritt am 9. Februar Roland Hefter auf, danach am 24. Februar Hans Klaffl. Für den sind schon mehr als 200 Karten weg: "Der wird auf jeden Fall ausverkauft sein", sagt Breitenfellner.
Mehr als zehn Millionen Euro hat die Stadt Penzberg investiert, um den denkmalgeschützten Art-déco-Bau aus dem Jahr 1928 umfassend zu sanieren. Innen wie außen sieht die Stadthalle jetzt wieder fast genauso aus wie vor 90 Jahren, alles wurde originalgetreu rekonstruiert, bis hin zu den altrosafarbenen Säulen. Dazu trugen die Bauarbeiter Farbschichten von den Wänden ab, um die ursprüngliche Farbe aus dem Jahr 1928 herauszufinden, schildert Breitenfellner. Die Gebäudetechnik ist dagegen auf den neuesten Stand gebracht worden, und auch das an die Stadthalle angeschlossene Restaurant "Penzberger" macht einen modernen Eindruck. "Mondän soll's sein, aber auch traditionell bayerisch", sagt Paula Maria Reisek. Die 32-Jährige ist seit November Geschäftsführerin der R&G Dienstleistungs GmbH, welche die Stadthalle betreibt.
Denn obwohl Breitenfellner die Künstler nach Penzberg und mit ihnen das Publikum vor die Bühne holt, machen seine Veranstaltungen nur einen kleinen Teil dessen aus, was in der Stadthalle los ist. In der passiert jede Woche etwas anderes: Monatliche Ü30-Feiern, Hochzeiten, Vereinstagungen, Abibälle, Geburtstage, Konfirmationen und Kommunion, Weihnachtsfeiern, Kinder- und Weiberfasching - "die ganze Palette", sagt Reisek. "Die Stadthalle soll ein zentraler Punkt sein." Vereine zahlen deshalb keine Miete, sondern nur das, was sie verzehren. Für die Zukunft denkt die R&G über einen Paketpreis mit Mindestverzehr nach. Und wer in der Stadthalle Hochzeit oder Trauer feiern will, kann entweder den nackten Saal bekommen oder Personal dazu buchen. "Mir ist wichtig, dass die Stadthalle alle Generationen erreicht." Bei Knedl & Kraut hat das gut geklappt: "Von acht bis 80 Jahren ist alles dabei", sagt Breitenfellner.
Schon eine halbe Stunde vor dem Auftritt des Trios Knedl & Kraut ist die Stadthalle knallvoll. Vertreten sind nicht nur Kinder und Senioren gleichermaßen, sondern auch Jeans und Abendkleid. Neben dem Eingang zum Saal gehen Wasser und Wein über den Tisch. Auf der Bühne steht ein gut zwei Meter hohes Diorama aus Holz bereit: ein Miniaturwirtshaus, darin ein kleiner Tisch mit gedrechselten Beinen und drei Stühlen. An den Wänden hängen sepiablasse Bilder in Rahmen und Gitarren. Toni "Hannesla" Bartl, Daniel "Schnitzer" Neuner und Juri Lex begeistern das Publikum von der ersten Minute an: Nach dem Motto "Im Wirtshaus bin i wia z'Haus" klopft das Trio in seiner mobilen Stube Stammtischsprüche, singt lebhaft Wirtshauslieder und bringt das Publikum zum Mitklatschen und Schunkeln. Manch einer wischt sich verstohlen eine Lachträne aus den Augenwinkeln, wenn Neuner eine bayerische Version von "O sole mio" singt oder erzählt, wie er in Spanien unter einem Hut einen winzigen Mexikaner gefunden habe ("Keine Ahnung, wie er da hingekommen ist"). Die drei Musikanten kämpfen singend, musizierend und derbleckend gegen das Stammtischsterben an - bis unversehens ein roter BH auf die Bühne fliegt. "Der ist aber ein bisschen klein", sagt Neuner und hält sich den Büstenhalter vor den Wanst.
"Die Penzberger waren hungrig nach dieser langen Wartezeit", sagt Breitenfellner. "In der Region passiert zwar viel, aber in der eigenen Stadt ist das noch mal was anderes." Es fördere die Identifikation der Bürger mit ihrer Stadt, wenn Besucher etwa zu Fuß zur Stadthalle kommen könnten. Für Penzberg bedeute die Neueröffnung deshalb "ein großes Stück Lebensqualität".