Amtsgericht Wolfratshausen:Sieber-Chef Schach weist Vorwürfe zurück

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Auftakt im Prozess um Listerien auf dem Wacholder-Wammerl: Staatsanwaltschaft beschuldigt früheren Geschäftsführer, positive Befunde verschwiegen zu haben.

Von Benjamin Engel und David Costanzo, Geretsried

Als die Ermittler Anfang Juni 2016 zur Durchsuchung im Haus des früheren Sieber-Chefs und in seiner Großmetzgerei in der Böhmerwaldstraße anrückten, war Dietmar Schach nicht da. Am frühen Morgen saß er in der Degerndorfer Kapelle in Münsing und zündete eine Kerze an.

Der frühere Sieber-Geschäftsführer Dietmar Schach äußert sich gut eine Stunde lang selbst vor dem Amtsgericht in Wolfratshausen. Er will seine Unschuld beweisen und weist den Vorwurf zurück, vorsätzlich ein gesundheitsschädliches Lebensmittel in Verkehr gebracht zu haben. In der Verhandlung am Montag beschreibt er die insolvente Geretsrieder Großmetzgerei als Vorzeigeunternehmen. "Mein Anspruch war, in Bayern zu den Top Drei bei Qualität und Qualitätsmanagement zu zählen", sagt er. Nach der Wirtschaftskrise 2008/2009 habe sich der Freistaat Bayern mit 500 000 Euro als stiller Gesellschafter am Unternehmen beteiligt. Sieber sei als Top-Unternehmen der Branche ausgezeichnet worden - mit klaren Strukturen und gutem Potenzial für die Zukunft.

Ausgangspunkt des Prozesses ist ein mit Listerien belastetes "Original Bayerisches Wacholderwammerl" aus einem Supermarkt. Darauf finden die Kontrolleure im März vor einem Jahr 190 000 Kolonie bildende Einheiten pro Gramm - die Maßeinheit für Bakterien. Der Grenzwert liegt bei 100. Doch schon 2013 sollen zwei Sieber Produkte - "Debrecziner classic" und "Debrecziner feurig-scharf" - die Grenzwerte deutlich überschritten haben. Staatsanwalt Michael Moker spricht von zwölf Befunden auch aus dem Jahr 2015. Drei Mal sollen sogar die von Sieber beauftragten Labors geraten haben, die Rohstoffe und Hygiene im Unternehmen zu prüfen. Diese Befunde soll der 52-Jährige den Behörden und sogar seinem eigenen Qualitätsmanager vorenthalten haben. Den Strafbefehl der Staatsanwaltschaft über 2250 Euro akzeptierte er nicht und führte so den Prozess gegen ihn selbst herbei.

Die Vorwürfe der Ermittler bestreitet er - insbesondere, dass er die Mitarbeiter nicht eingeweiht habe. "Nach dem Vorfall haben wir ein Listerien-Monitoring bei Sieber eingeführt." Mit seinen Mitarbeitern habe er sich fachlich besprochen. Allein 2015 habe das Unternehmen etwa 600 bis 700 Gutachten selbst in Auftrag gegeben. Im Falle von Grenzwertüberschreitungen sei er davon ausgegangen, dass die Labore Auffälligkeiten an die Behörden melden sollten, sagt Schach. "Die Debrecziner waren nie mehr auffällig." Die Belastung des Wacholderwammerls vom Vorjahr könne er sich nicht erklären.

Für die Ermittler soll Schach ebenso eine Probe "Mini-Rostbratwürstchen mit Emmentaler Heumilchklasse" und einer Belastung von 30 000 Kolonie bildenden Einheiten pro Gramm im Oktober 2015 verschwiegen haben. Dabei soll es sich um einen internen Test zu einer neuen Verpackung gehandelt haben, sagte der frühere Firmenchef. "Da haben wir die Entwicklung abgebrochen. Das Risiko war uns zu groß", stellt der frühere Sieber-Geschäftsführer klar.

Doch die Ermittler beharren auf ihren Anschuldigungen. Wie ein 36-jähriger Weilheimer Kriminalbeamter vor Gericht schildert, hätten die Sieber-Mitarbeiter ausgesagt, nichts von Listerien-Belastungen vor dem März 2016 gewusst zu haben. Schach habe sich Gutachten persönlich vorlegen lassen, bevor sie an die Qualitätssicherung gegangen seien. Laut dem Prokuristen von Sieber habe sich das Unternehmen zwar nach der Wirtschaftskrise von 2008 wieder stabilisiert, aber in den Jahren vor der Insolvenz weder große Gewinne noch Verluste gemacht. Doch schon kleinere Probleme hätten die Großmetzgerei nach dessen Aussage in Schwierigkeiten bringen können. "Listerien bedeuten massive Probleme", erläuterte der Kriminalbeamte.

Der zuständige Lebensmittelkontrolleur erklärte, bei früheren Untersuchungen stets einen guten Eindruck vom Unternehmen gehabt zu haben. Es habe allenfalls geringfügige Mängel gegeben. Bei einer Kontrolle im Mai 2016 habe ihm eine Sieber-Mitarbeiterin eine Übersicht von Kontrollbefunden am Computer gezeigt. Darin seien die mit Listerien belasteten Debrecziner-Produkte von 2013 nicht aufgeführt gewesen.

Schach räumte ein, nach Bekanntwerden des Skandals Datenträger mit Interna aus dem Unternehmen mit nach Hause genommen zu haben. Er habe das Gefühl gehabt, dass er sie im Falle einer Insolvenz brauche. Er habe die Ermittler bei der Razzia auch nicht darauf hingewiesen. Um sieben Uhr in der Früh hätten ihn seine Frau und der Anwalt telefonisch in der Kapelle erreicht. Seiner Frau und seiner Tochter sei es nicht gut gegangen. Als er gegen 8 Uhr zu Hause eintraf, sei die Durchsuchung bereits zu Ende gewesen. Die Fahnder hätten sich die Laptops der beiden angeschaut und nichts gefunden.

Der Prozess wird am Mittwoch fortgesetzt. Dann soll bereits das Urteil verkündet werden.

© SZ vom 25.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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