Vor Bürgerentscheid:Scharfer Streit über Bürgerladen

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Rund 50 Gegner und Befürworter diskutieren beim SPD-Frühschoppen kontrovers über das Projekt am Untermarkt

Von Thekla Krausseneck, Wolfratshausen

Der Andrang war so groß, dass die Sozialdemokraten kurz vor Beginn der Veranstaltung den Saal wechseln mussten: Rund 50 Gegner und Befürworter des Wolfratshauser Bürgerladens haben sich am Sonntagvormittag zum SPD-Frühschoppen in der Flößerei getroffen, um über das Thema zu sprechen, das die Stadt derzeit am meisten bewegt. Stadtrat Fritz Meixner moderierte die Diskussion mit dem offensichtlichen Bestreben, einen sachlichen Ton zu fördern, der trotzdem schon früh scharf und stellenweise emotional wurde. Die Fronten auflösen konnte die SPD nicht und auch der Informationsgehalt war offensichtlich eine Frage der Perspektive: Das Bürgerladen-Team fühlte sich fast durchweg schlecht verstanden und falsch zitiert und die SPD-Stadtratsfraktion verbrachte die meiste Zeit damit, sich zu rechtfertigen.

"Ich verstehe das nicht", sagte ein Besucher gegen Ende des Frühschoppens: Der Stadtrat sage immer, er sei ja gar nicht gegen den Bürgerladen, "also warum richtet sich diese Veranstaltung gegen den Willen von 3000 Bürgern?" Knapp so viele Wolfratshauser hatten das Bürgerbegehren der Bürgerladen-Initiative unterschrieben, das nun am 6. Dezember in einen Bürgerentscheid mündet. Meixner erklärte mehr als einmal, dass die SPD-Fraktion den Bürgerladen wolle, aber wegen der hohen Kosten eben nicht am Untermarkt 10. Die Kosten lagen zuletzt bei mehr als 800 000 Euro plus rund 30 Prozent; eine Summe, welche die Bürgerladen-Befürworter entweder ganz anzweifeln oder durch die Städtebauförderung abgefangen sehen wollen. Die Höhe einer möglichen Förderung kann bislang aber nur vermutet werden, die Befürworter glauben an 50 Prozent, während Kritiker Reiner Berchtold (SPD) dagegen hielt, dass Wolfratshausen noch nie mehr als 30 Prozent erhalten habe.

Auf die Frage, ob der Untermarkt 10 bei einem Nein vermietet oder in Erbpacht vergeben werde und ob man schon wisse, wie hoch die Einnahmen und Ausgaben jeweils seien, räumte Meixner ein, dass sich der Rat über letzteres noch keine Gedanken gemacht habe. Dass etwas investiert werden müsse, sei insgesamt klar, jedoch wolle man das Gebäude bei einem Nein lieber an die Städtische Wohnungsbau- und Verwaltungsgesellschaft, eine Tochter der Stadt, in Erbpacht vergeben. Die müsse sich, anders als die öffentliche Hand, nicht an die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) halten, die oft Ursache für immer höhere Kosten sei, sagte der Zweite Bürgermeister Fritz Schnaller.

Ein Streitpunkt war die Miete, die der Bürgerladen auf 4,50 Euro je Quadratmeter veranschlagt hatte, ob warm oder kalt, darüber schieden sich die Geister. Der CSU-Fraktionssprecher Günther Eibl warnte davor, dass Mieter anderer städtischer Liegenschaften in der Marktstraße sich ebenfalls mit dem Wunsch nach einer niedrigeren Miete melden könnten. Sie käme einer Subventionierung gleich und würde den Wettbewerb verzerren.

Die Diskussion gipfelte in Meixners Stellungnahme zu einem Vorwurf, der in der Bevölkerung umgehe. Dort gelte er als "der größte Wendehals", sagte Meixner: Im Bürgermeister-Wahlkampf hatte er sich 2014 für einen Bürgerladen stark gemacht, heute sieht es so aus, als sei er sogar gegen das Projekt. "Ab dem Zeitpunkt der Kostenexplosion war ich in diesem Maß nicht mehr dabei", erklärte Meixner seinen Sinneswandel. Allgemein sei der Stadtrat teils verunsichert: Die Entscheidungsgrundlage habe sich mehrmals geändert, obendrein wisse man noch immer nicht, welche Kosten der Brandschutz aufwerfen werde. Der Informationsprozess sei also noch nicht abgeschlossen.

© SZ vom 23.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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