Vor allem Wanderer und Mountainbiker gerieten in Not:Mehr Einsätze am Berg

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Wegen Corona und des schönen Wetters mussten die Einsatzkräfte der Bergwacht auch im Landkreis in diesem Sommer ungewöhnlich oft ausrücken

Von Benjamin Engel, Bad Tölz-Wolfratshausen

Die Corona-Pandemie und das schöne Wetter haben in diesem Sommer mehr Menschen als sonst in die Berge gelockt. Damit sind auch die Einsätze für die Bergwachten stark gestiegen. 3482 Einsätze gab es für die Rettungskräfte im Freistaat alleine von Juli bis September, dies sind zwischen 17 und 23 Prozent mehr als 2019. "Das war heuer extrem", bestätigt Christoph Brenninger, Bereitschaftsleiter der Bergwacht Lenggries.

Danach wurde es zwar ruhiger, aber noch im November mussten Einsatzkräfte der Bergwacht zum Beispiel einen Mountainbiker bergen. Er war am Grasköpfl bei Fall tödlich verunglückt. Knapp eine Woche später kamen vier Bergsportler auf einer Radtour bei der Luitpolder Alm zwischen dem Isartal und der Jachenau in die Dunkelheit. Das Quartett hatte keine Lampen mit und fand nicht mehr nach Vorderriß zurück. Per Notruf alarmierten sie die Bergwachtler, die sie ins Tal zurückbrachten. Weil sie ihre konditionellen Fähigkeiten überschätzten oder nicht auf die Zeit für eine Tour achteten, kämen Freizeitsportler in eine solche Situation kommen, vermutet Brenninger.

Stärkere Konzentration

Für den Bereitschaftsleiter sind solche Einsätze an schönen Novembertagen nicht ungewöhnlich. Auffallend war für ihn in diesem Sommer jedoch, dass sich die meisten Freizeitsportler auf die drei Sommermonate konzentriert haben. Genau in diesem Zeitraum mussten die Bergwachten in Bayern heuer besonders oft ausrücken. Zum Vergleich: 2017 gab es insgesamt fast 650 Rettungsaktionen weniger als diese Saison. In mehr als der Hälfte aller Fälle mussten die Retter in Not geratenen Wanderern helfen (54 Prozent). Mountainbiker alarmierten wesentlich häufiger als im Vorjahr die Einsatzkräfte, ihr Anteil erhöhte sich von 16,33 auf 22,43 Prozent. Hilfe brauchten heuer nicht weniger als 89 E-Mountainbiker, im Vorjahr waren es nur neun. Auf Kletterer sowie Drachen- und Gleitschirmflieger entfielen lediglich 3,99, respektive 3,22 Prozent der Einsätze.

Explosionsartig stieg die Zahl der Arbeitsunfälle an. Mussten die Bergretter im vergangenen Jahr nur 16 Mal deswegen ausrücken, waren es heuer 119 Einsätze. Laut Roland Ampenberger, Sprecher der Bergwacht Bayern, handelte es sich oftmals um Forstunfälle. Diese Zunahme erklärt er vor allem mit den während der Corona-Pandemie teils stark eingeschränkten Betätigungsmöglichkeiten. Viele hätten die Chance genutzt, um im Frühjahr im Wald aufzuräumen, sagt Ampenberger.

Der Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen gehört zur Einsatzregion Hochland zwischen dem Ammergebirge und der Kampenwand. Im gesamten Gebiet mussten die Bergwachtorganisationen 1341 Mal ausrücken und damit am häufigsten von allen bayerischen Einatzregionen. Wie Ampenberger mitteilt, seien vor allem Freizeitsportler in Mittelgebirgszonen, weniger in den Hochlagen verunglückt. Etwas mehr als ein Drittel der Verletzten musste am Sprunggelenk, am Unter- und Oberschenkel behandelt werden. Rund 20 Prozent benötigten einen Internisten, etwa wegen Herzproblemen. Weitere 20 Prozent verletzten sich am Kopf oder an der Schuler. Ein wenig zurückgegangen ist die Zahl der sogenannten "Blockierer". Zu dieser Kategorie zählt die Bergwacht Menschen, die unverletzt sind, aber nicht mehr weiterkönnen; zum Beispiel deshalb, weil sie keine Kraft mehr für den Klettersteig haben, in schlechtes Wetter oder in die Dunkelheit geraten. Statt zu 405 Einsätzen wie im Vorjahr wurde die Bergwacht nur noch in 344 derartigen Fällen alarmiert.

Mehr als die Hälfte der Hilfsbedürftigen am Berg stammten im Freistaat laut den Angaben der Rettungsorganisation aus Bayern. Einen weiteren großen Anteil haben Freizeitsportler aus dem restlichen Bundesgebiet. 63 Menschen verunglückten tödlich, im Sommer 2019 waren es noch 87. Ursache dafür waren zu 57 Prozent internistische Beschwerden.

Lifte standen still

Ein wenig paradox mutet an, dass die Zahl der Einsätze trotz allem von 8987 auf 7791 gesunken ist, wenn man den vergangenen Winter und den Sommer zusammennimmt. Das erklärt sich dadurch, dass die Skigebiete im Frühjahr vorzeitig ihren Betrieb einstellen mussten. So standen auch die Lifte am Lenggrieser Hausberg Brauneck bereits Mitte März still. Für das vergangene Bergwachtjahr hat Bereitschaftsleiter Brenninger noch keine Einsatzstatistiken ausgewertet. Er rechnet jedoch damit, dass er und seine Kollegen kaum mehr als in den Vorjahren ausrücken mussten. "100 bis 120 Einsätze hatten wir im letzten Sommerhalbjahr", sagt er. Das werde heuer kaum höher sein. Vermehrt seien in diesem Sommer allerdings Sportler im Bike-Park verunglückt. Das Gros der Verletzten blieben aber Wanderer.

In Bayern sind um die 3500 Mitglieder in der Bergwacht aktiv. Unter ihnen gab es laut Ampenberger nur wenige Covid-Infektionen. Der Bergwacht-Sprecher hält es für wünschenswert, die Natur im Freien zu genießen. Wenn mehr Menschen unterwegs seien, stiegen eben auch die Einsatzzahlen, sagt er. Die Berge eröffneten jedoch einen Erfahrungsraum, in dem sich Freizeitsportler mit Respekt für die Natur und Rücksicht auf die Mitmenschen bewegen könnten.

© SZ vom 23.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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