Vom Wasser des Lebens:Die Spiritualität des Whiskys

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Ein sinnenfroher Geistlicher: "Haben Sie den Mut zu genießen", sagt Pfarrvikar Wolfgang Rothe. (Foto: Hartmut Pöstges)

Pfarrvikar Wolfgang Rothe schenkt in der Stadtbücherei ein

Von Thekla Krausseneck, Wolfratshausen

Wolfgang Rothe trinkt den Whisky nicht einfach. Er nippt am Glas, schließt die Augen, spitzt die Lippen, schubst den Schluck mit der Zunge von einer Wangentasche in die andere und schreibt dabei mit den Händen Kreise in die Luft, wie ein Dirigent. Whisky sei nicht nur ein Schnaps, sagt der Perlacher Pfarrvikar. "Ein Whisky hat Persönlichkeit, und wenn man jemanden kennenlernt, fällt man ja auch nicht mit der Tür ins Haus."

Es ist voll in der Stadtbücherei Wolfratshausen, als der gebürtige Sauerländer Rothe sein Buch "Wasser des Lebens - Einführung in die Spiritualität des Whiskys" vorstellt. Wer da eine christlich geprägte Lesung erwartet hat, liegt falsch: Obwohl Rothe mit Kollar auftritt, da er katholischer Priester ist, geht es vor allem um Fakten rund um die Entstehung des Whiskys. Zwei Jahre habe er gebraucht, um für sein Büchlein einen Verlag zu finden, sagt er: "Den weltlichen Verlagen war es zu christlich und den christlichen Verlagen zu weltlich." Erschienen ist es im Benediktinerverlag EOS. Von der Stadtbücherei Wolfratshausen verlangt Rothe kein Honorar, Hotel- und Anfahrtskosten trägt er selbst. Die 15 Euro Eintritt pro Person bleiben bei der Bücherei. Deren Leiterin Silke Vogel hat schottische Whiskys eingekauft und gibt Gläser an die Teilnehmer aus.

Die Verkostung gestaltet Rothe unkompliziert: Im Verlauf des Abends lässt er Single-Malt-Spezialitäten herumgehen, die neun, zwölf, 15 und 21 Jahre lang in den Fässern lagen; und während sich jeder davon ins Glas kippt, erzählt Rothe vom "Aqua Vitae", über das er so viel weiß, dass er bereits am zweiten Buch sitzt. Zum Beispiel, dass der Whisky glasklar aus der Destillation kommt und erst durch die Lagerung in den Fässern seine Farbe erhält - je älter, desto dunkler. Diese Fässer stammten oft aus den USA, wo ein Fass per Gesetz nur ein einziges Mal verwendet werden dürfe; die Schotten kauften sie also billig ein und profitierten von dem vollgesogenen Holz, das den Geschmack des Whiskys beeinflusse. Luftdicht sind diese Fässer freilich nicht: Der aus einem Fass verdunstende Anteil des Whiskys werde "Angel's Share" genannt; das Destillat, das sich bei 90 Grad Celsius aus dem noch nicht kochenden Wasser erhebe und unsichtbar in den nächsten Behälter schwebe, wo es wieder sichtbar werde, sei der "Spirit". "Und wenn Sie den Whisky schwenken, sehen Sie, wie der Alkohol im Glas abläuft", sagt Rothe, der das Glas mit der karamellfarbenen Flüssigkeit gegen das Licht hält. "Das nennt man Tränen, Füßchen oder Kirchenfenster, weil sie an die Maßwerke gotischer Kirchen erinnern."

Rothe appelliert an sein Publikum: "Haben Sie den Mut zu genießen." Je achtsamer man den Whisky trinke, desto intensiver sei das Erleben, desto größer der Genuss. Als er den 21 Jahre alten Glengoyne herumgehen lässt, ruft Rothe zur Selbstreflexion auf. "Ich nehme so einen Whisky auch immer, um in mein eigenes Leben zurückzuschauen. Was ist vor 21 Jahren passiert?"

© SZ vom 15.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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