Verhandlung vor dem Amtsgericht:Nachbarschaftsstreit eskaliert

Lesezeit: 2 min

Prügelei, Verfolgungsfahrt, gegenseitige Schuldvorwürfe: Erst beim zweiten Gerichtstermin können sich die Kontrahenten auf Frieden einigen

Von Benjamin Engel, Wolfratshausen

Seit Jahren machen sich zwei Nachbarn in einem abgelegenen Ortsteil im Landkreis gegenseitig schwere Vorwürfe. Im Kern stören sie sich wohl daran, dass beide jeweils über die Grundstücke des anderen fahren oder gehen. Als die Kontrahenten am 4. August 2017 erneut aneinandergerieten, wurde es besonders hitzig. Erst soll der heute 32-jährige Angeklagte seinen Hund auf den 22-jährigen Sohn des Nachbarn gehetzt haben. Laut Anklageschrift soll das Tier den Industriemechaniker gebissen haben. Anschließend soll der Angeklagte versucht haben, den Vater des jungen Mannes mit seinem Auto zu überfahren.

Ein erster Prozess zu den Vorwürfen war im Vorjahr vor dem Amtsgericht Wolfratshausen eingestellt worden. Ein angeregter Täter-Opfer-Ausgleich scheiterte, weswegen am Mittwoch erneut verhandelt wurde. "Das kann doch kein Dauerzustand bleiben", mahnte Strafrichter Helmut Berger zu Verhandlungsbeginn. Auf sein Drängen und die Initiative der Staatsanwältin schlossen die Kontrahenten eine Vereinbarung, um weiteren Streit zu vermeiden. Sie einigten sich, gegenseitige Kontakte einzustellen und die Grundstücke des jeweils anderen nicht mehr zu betreten. Sie erklärten, an weiteren Straf- und Ermittlungsverfahren nicht mehr interessiert zu sein. Der aktuelle Prozess wurde auf dieser Grundlage eingestellt.

Als alarmierte Polizisten am 4. August vor zwei Jahren auf die Streitenden trafen, war die Stimmung gereizt bis aggressiv. Der Angeklagte habe aus einer Platzwunde am Kopf geblutet. Beim Jüngeren seien Bisswunden an den Beinen sichtbar gewesen. Die Nachbarn hätten einander angeschrien, berichtet einer der Ermittler. Erst einmal hätten die Kontrahenten voneinander getrennt werden müssen, um die Situation zu beruhigen.

In ihren Aussagen widersprechen sich die Nachbarn vor Gericht. Klar ist, dass der Angeklagte vormittags mit drei Pferden und Hund auf der Straße unterwegs war, als ihm der Sohn des Nachbarn entgegenkam. Was anschließend passierte, ist strittig. So behauptet der Angeklagte, dass der junge Mann vom Fahrrad gesprungen sei und ihn geschlagen habe. Während der Rangelei habe der Hund ihn selbst und den Sohn des Nachbarn gezwickt. "Ich habe nicht gerufen, dass der Hund auf ihn losgehen soll", beteuert der Angeklagte - und widerspricht damit dem jüngeren Mann. Schließlich habe er sich befreien können.

Dramatischer schildert der Industriemechaniker das Aufeinandertreffen. Vor der Begegnung sei er monatelang nicht mehr auf der Straße nahe dem Angeklagten geradelt, weil er Angst vor diesem habe. Der Mann habe ihm mit seinen drei Pferden die Weiterfahrt abgeschnitten. Dann sei der Angeklagte auf ihn losgegangen und habe seinem Hund das Kommando "Fass!" zugerufen.

Anschließend alarmierten beide Männer die Polizei. Ehe die Beamten eintrafen, fuhr der Angeklagte noch mit dem Auto zum Haus seiner Nachbarn. Nach deren Darstellung soll er gedroht haben, sie alle umzubringen, bevor er wieder wegfuhr. Die Auseinandersetzung ging in die nächste Runde.

Mit dem Wagen fuhr der Vater des Industriemechanikers zu seinem Sohn. Der Angeklagte verfolgte den 56-Jährigen mit dem Auto und gab Gas, als der Mittfünfziger ausstieg und zum Kofferraum seines Fahrzeugs ging. Um sich zu schützen, nicht um den Mann zu überfahren, wie der Angeklagte sagt. Denn dieser habe gerufen, dass er Waffen im Kofferraum habe. Bis auf wenige Zentimeter sei er an den Kofferraum herangefahren, sagt der Angeklagte. "Damit er den nicht mehr aufkriegt." Dann sei bald die Polizeistreife eingetroffen. Einem der Polizisten habe er von der Waffe erzählt. Doch keiner der Beamten habe in den Kofferraum des Autos geschaut.

Nachbarschaftsstreitigkeiten wie diesen macht so kompliziert, dass sich die Kontrahenten jeweils im Recht sehen, beide Seiten einander die Schuld an den Problemen geben. Das machen im aktuellen Fall auch die Protokolle aus dem Täter-Opfer-Ausgleich deutlich. Darin ist von tiefer Abneigung und Beleidigungen die Rede. In zwei Gesprächen fanden die Kontrahenten keine Lösung. Der Angeklagte fühlt sich bis heute in die Rolle des Schuldigen gedrängt. Sein Nachbar bekomme immer recht, wenn er ihm etwas in die Schuhe schiebe, klagt er.

© SZ vom 16.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: