Uraufführung in Penzberg:Luthers neue Lieder

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Das Publikum bejubelt die von Holger Jung komponierte Gospel-Kantate zu Ehren des Reformators. Die Mischung aus Klassik, Jazz und Gospel mit englischen und deutschen Texten geht auf - auch weil Günther Pfannkuch sein Vocalensemble im Griff hat

Von Sabine Näher, Penzberg

Die Zuversicht des Komponisten erwies sich als berechtigt: Er gehe davon aus, dass die deutsch-englische Textmelange und die Verbindung klassischer Elemente mit Jazz und Gospel funktioniere, hatte Holger Jung im Vorfeld der Uraufführung seiner Gospel-Kantate "Luther - Musical Pictures" erklärt. Das begeisterte Publikum gab ihm am Samstag und Sonntag in der gut gefüllten Penzberger Stadtpfarrkirche Christkönig mit langem, herzlichen Beifall recht. Die Ovationen galten natürlich nicht nur dem Komponisten, sondern auch den Ausführenden, die den Beifall ohne Ausnahme verdienten. Allen voran Barbara Mayr, die mit ihrem Mezzosopran die (auf Englisch gesungenen) Jazznummern grandios gestaltete. Daneben Christian Feichtmair, der als klassischer Bariton gleichsam Luther verkörperte und dessen Texte in (deutscher) Originalgestalt vortrug.

Bravourös schlug sich auch das Vocalensemble Penzberg, dem Jung doch den einen oder anderen vertrackten Rhythmus und zahlreiche ungewohnte Taktwechsel abverlangte. Professionell agierte das Sinfonieorchester im Pfaffenwinkel, obwohl die Streicher (mit Ausnahme der Konzertmeisterin) Laienmusiker sind. Hinzu trat eine kleine Jazzcombo mit Jung am Klavier, die den Sound des klassischen Orchesters aufmischte. Und Günther Pfannkuch hielt in seiner bewährt souveränen Manier alle Fäden zusammen.

Vor der Uraufführung gab es zwei klug gewählte weitere Programmpunkte: Samuel Barbers "Adagio for Strings", das die Streicher verhalten, mit größter Intensität und sehr sprechend ausgestalteten - und damit vom ersten Takt an eine dichte Atmosphäre schufen. Darauf durfte sich der Chor mit drei Spirituals a cappella präsentieren: Packender Zugriff, Emphase und Überzeugungskraft ließen den Funken überspringen.

Dann lag Spannung in der Luft, als Pfannkuch den Einsatz zu "Luther, The Rebel" gab. Tiefe Streicher, tiefes Blech, darüber zarte Glockenschläge, ließen aufhorchen. Eine stimmungsvolle Eröffnung, die den Choreinsatz bestens vorbereitet: "A mighty fortress is our God" ließ sich dieser kraftvoll vernehmen. Die rhythmischen Verschiebungen zum bekannten Choral "Ein feste Burg ist unser Gott" zu verfolgen war reizvoll. Darauf der Bariton: "Ein neues Lied wir heben an". Und obwohl er dessen zwölf Strophen allesamt vortrug, kam keine Langeweile auf, weil sich zu seiner Erzählung verschiedenste Begleitelemente einstellten, das Orchester mal eher melodisch, mal eher rhythmisch geprägt farbig untermalte, der Chor mit Text, Vokalisen oder summend hinzutrat - und "Luther" eine Strophe ohne jedwede Musik mit Nachdruck einfach rezitierte, ein gelungener Effekt.

Es folgte "Luther, The Legend". Der Bariton begann: "Mitten wir im Leben sind", sehr deklamatorisch. Im schönsten Kontrast der Refrain des Chores: "Holy and righteous God", mit weichen Bögen, eine innig vorgetragene Bitte. Aufgewühlt darauf Luthers Stimme: "Mitten in der Hölle Angst". Der Refrain folgte mit noch größerer Intensität, beschwichtigend. Dann brachte Barbara Mayr eine völlig neue Farbe ins Spiel: "Christ Jesus lay in death's strong bands". So hatte man das bekannte "Christ lag in Todesbanden" noch nie vernommen. Nach einem winzigen Moment der Irritation war man gefangen von ihrer großartigen, ebenso souveränen wie intensiven Interpretation.

Schließlich trat der Chor hinzu, der ebenso entspannt-lässig agierte. Ein fetziges Orchesterzwischenspiel leitete zur letzten Strophe über, die Chor und Mezzo so fulminant gestalteten, dass Zwischenapplaus aufbrandete. "Verfolgung und Abgeschiedenheit" brachte ein langes instrumentales Intermedium, das mit tief summenden Streichern, aufleuchtenden Bläser- und Harfensoli stimmungsvoll begann, daraus ein reiches orchestrales Geschehen entfaltete, die Spannung aber nicht ganz bis zum Ende halten konnte. Chor und Mezzo brachten die Intensität mit "Come, God Creator, Holy Ghost" zurück. "Luther and the Holy Sacraments" begann mit einem Saxophon-Solo, umrahmt von Klavierglissandi. Die Sängerin schuf dann mit "To Jordan", nur vom Klavier begleitet, mitten in der Kirche so etwas wie intime Club-Atmosphäre.

Sehr klassisch darauf der Chor a cappella. Das kann unversehens ernüchternd wirken, doch - Kompliment an die Sänger - es wirkte dicht und spannungsvoll. "Luther's Crede" eröffnete der Bariton mit "Wir glauben all an einen Gott", von schmeichelnden Streicherklängen umschwebt, mit "We all believe in Jesus Christ" traten Mezzo und Combo, ebenfalls weich gezeichnet, hinzu. "Born of Mary" schloss der Chor an. Ins von diesem vorgetragene Glaubensbekenntnis fügte sich "Luther" mit einem Satz nachdrücklich ein. Das Schlusswort hatte schließlich der Chor, sprich die Gemeinde: Amen.

© SZ vom 04.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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