Gesundheit ist das wichtigste Geschenk. Das lässt sich in der hektischen Adventszeit schnell vergessen. In der Pullacher Josef-Breher-Mittelschule ist dieser Gedanke am Sonntag ganz präsent. Junge Familien mit Kindern, Alleinstehende, Freunde und Bekannte sind an diesem vierten Adventssonntag in die Schulturnhalle gekommen, damit Pierre-André aus Ebenhausen (Gemeinde Schäftlarn) gesund werden kann.
Das zehn Monate alte Baby von Sabrina und Andreas Böhm leidet unter einem seltenen Gendefekt. Selbst kleinste Kratzer könnten schon eine lebensgefährliche Blutung hervorrufen. Eine Stammzellenspende könnte dem Buben helfen. Nach zwei Stunden haben sich 200 Personen Blut abnehmen lassen. Es wird untersucht, vielleicht ist ein passender Spender dabei. In der Aula verkaufen Helfer Kaffee und Kuchen. Der Erlös kommt der Typisierungsaktion zugute.
Freunde, Vereine und die Deutsche Knochenmarkspenderdatei (DKMS) haben die Typisierungsaktion angestoßen. "Von der Welle der Hilfsbereitschaft bin ich überwältigt", sagt Cornelia Zechmeister. Die Pullacher Gemeinderätin kennt das Ehepaar Böhm aus einem Renaissance-Tanzkreis. Sie hat vor etwa vier Wochen von Pierre-Andrés Krankheit erfahren. Zechmeister hat daraufhin mit Freunden und Bekannten eine Spendenaktion sowie die Typisierung organisiert.
Pierre-André scheint von dem Trubel um seine Person unbeeindruckt. Seine Mutter hält ihn auf dem Arm, und wer ihn sieht, würde nicht auf die Idee kommen, dass er ernstlich erkrankt ist, so zufrieden wirkt er. Dabei ist das Wiskott-Aldrich-Syndrom, an dem das Baby leidet, eine schwerwiegende und seltene Erkrankung.
Der Gendefekt wurde erst Anfang des Jahrtausends wissenschaftlich beschrieben. Seither ist nur ein anderer Fall in Bayern bekannt geworden. Der Defekt blockiert die Produktion bestimmter Abwehrzellen. Dadurch nimmt das Infektionsrisiko zu, die Blutgerinnung ist gestört, vermehrt bilden sich Tumore. Im Augenblick gehe es seinem Kind gut, sagt Vater Andreas Böhm. Es habe auch keine blauen Flecken, die wegen der mangelhaften Blutgerinnung leicht aufträten. Um kein Infektionsrisiko einzugehen, verlassen die Eltern von vier Kindern mit Pierre-André allerdings bald die Schulturnhalle. Sie hoffen, dass sich ein Knochenmarkspender findet, mit dessen Hilfe er geheilt werden könnte.
Bis zum Abend lassen sich rund 750 Personen in der Josef-Breher-Mittelschule Blut abnehmen. In vier bis sechs Wochen wird sich zeigen, ob ein passender Stammzellenspender darunter ist. So lange dauert es, bis die Ergebnisse der Blutuntersuchungen vorliegen, sagt Daniel Wilhelm von der DKMS. Keines der anderen Kinder der Familie Böhm komme als Spender infrage, das haben Untersuchungen ergeben. In die Schule kommen auch der Schauspieler Hans Sigl, der den Bergdoktor Martin Gruber in der gleichnamigen Fernsehserie verkörpert sowie die Bürgermeister von Pullach und Schäftlarn, Jürgen Westenthanner und Matthias Ruhdorfer.
In der Turnhalle stehen lange Reihen von Tischen. Dahinter sitzen Helfer, die die Namen, die Adresse und die Telefonnummer der möglichen Spender erfassen. Sie geben auch kleine Röhrchen für die anschließende Blutabnahme aus. Der Labortest für eine einzelne Probe kostet 50 Euro. Die muss keiner, der sein Blut untersuchen lässt, selbst bezahlen, weswegen sich Wilhelm von der DKMS über jede Spende freut. Dadurch finanziert sich die Aktion. Den Rest übernimmt die DKMS.
Im hinteren Bereich der Turnhalle nehmen 20 Ärzte Blut ab. Uwe Eisenmann, stellvertretender Vorsitzender im Gewerbeverband Pullach, drückt ein Pflaster auf die Einstichstelle. Auch sein Verband sammelt Spenden für die Aktion. Er habe es als Verpflichtung gesehen, sich daran zu beteiligen, sagt Eisenmann. Im Übrigen handele es sich um eine deutschlandweite Aktion. Jeder, der sich Blut abnehmen lässt, wird in der bundesweiten Knochenmarkspenderdatei erfasst. So kann nicht nur hoffentlich ein Spender für den kleinen Pierre-André gefunden werden, sondern auch für andere Menschen.
Spontan hat sich Stephanie Hügler entschieden, in die Josef-Breher-Mittelschule zu kommen. Sie habe davon durch die Flyer erfahren, die in Pullach und Schäftlarn verteilt wurden, sagt sie. Die Pullacherin hat sich erst vor einer Woche das linke Bein gebrochen und kämpft sich mit zwei Krücken und Schiene am Bein in die Turnhalle.
Helfen will sie auf jeden Fall.