Tutzing:Leuchtende Momente

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Galeristin Anne Benzenberg entdeckt Bilder von Toni Roth

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Tutzing

Es erinnert an die Geschichte vom Schatz auf dem Dachboden: Im vergangenen Jahr wurde eine Villa in Greifenberg aufgelöst. Die Tutzinger Galeristin und Antiquitätenhändlerin Anne Benzenberg fuhr hin und erlebte eine Überraschung. Es stellte sich heraus, dass in dem Haus einst der akademische Maler Toni Roth (1899 bis 1971) gelebt und die Nachbesitzer das Atelier nie aufgelöst hatten. Benzenberg fand verstaubte, schmutzige Bilder. Sie waren so stark vom Zahn der Zeit gezeichnet, dass sie sich nicht näher für sie interessiert hätte, wenn ihr der Künstler Toni Roth kein Begriff gewesen wäre. Sie ahnte jedoch, welcher Schatz sich unter den Staubschichten verbarg. "Es war ein Risiko", sagt sie rückblickend.

Normalerweise werden einem Galeristen Bilder für eine Ausstellung als Leihgabe überlassen. Bei der Hausauflösung musste sie die Bilder jedoch kaufen. Stillleben sind in der heutigen Zeit nicht gerade gefragt. Doch Benzenberg ließ sich auf den Handel ein. Roths Arbeiten seien knapp 90 Jahre nach ihrem Entstehen noch immer modern, sagt die Galeristin. Sie mag die Farbigkeit und "das Kantige".

Roth war Dozent an der Akademie der Bildenden Künste in München und Konservator am Landesamt für Denkmalschutz. In dieser Funktion war er beispielsweise für die Restauration des Fürstensaals im Kloster Andechs zuständig. Sein großes Anliegen war es, Kunstwerke nicht zu verschönern, sondern sie zu erhalten. Damit machte er sich in der damaligen Zeit nicht viele Freunde. "Ob ich in meinem bisherigen Leben etwas erreicht habe, ist nebensächlich. Aber ich hoffe, mit meiner leidenschaftlichen Liebe zur bildenden Kunst dem Schönen in der Welt einen Dienst getan zu haben", schreibt Roth in seinen Erinnerungen zu seinem 70. Geburtstag.

Die meisten Porträts und Stillleben sind in Öl auf Holz gemalt. Sie wirken unbeschwert, leicht, heiter. Die Werke sollen den Betrachter erfreuen, ihn Zeit und Raum vergessen lassen. Auch die Motive sind klassisch, wie etwa Blumensträuße auf dem Tisch, mit und ohne Hintergrund, in der Vase, mit einer Bauernschüssel oder einem toten Fasan. Die Blumen in intensiv leuchtenden Farben sind realitätsnah, manchmal fast fotografisch-detailliert ausgearbeitet. Doch bei näherer Betrachtung lässt sich die Dynamik in den Bildern entdecken. Manche Darstellungen sind reduziert auf den flüchtigen Augenblick.

Der Pinselduktus ist sparsam und zurückhaltend. Die Farben sind voller Leuchtkraft, schimmern satt und haben einen eigentümlichen Glanz. Der dunkelgrüne oder matt-graue Hintergrund bringt das intensive Rot, Orange oder Gelb der Blüten zum Strahlen. Doch es ist kein buntes Gleißen, sondern eine ruhige Bewegung, die die Landschaft in der Region widerspiegelt, der sich Roth sein Leben lang verbunden fühlte.

Die schönsten Kindheitserinnerungen des Künstlers waren die jährlichen Sommerurlaube in Aschering. Dort durfte Roth erstmals mit dem Ölmalkasten seines Vaters malen. Als im Zweiten Weltkrieg seine Wohnung und sein Atelier in München ausgebombt wurden, fanden er und seine Frau, die Malerin Martha Roth-Silberhorn, eine Bleibe in einem Einödhof in Maising und zogen dann mehrmals um, bis sie zuletzt in einem Landhaus in Greifenberg lebten.

Galerie am Rathaus, Kirchenstraße 7, Tutzing, Donnerstag und Freitag von 10 bis 12 Uhr und 15 bis 18 Uhr sowie samstags von 10 bis 13 Uhr

© SZ vom 09.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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