Tourismus in Bad Tölz:Zwist um die Zukunft des Kurviertels

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Kurdirektorin Brita Hohenreiter plädiert vor dem Tölzer Bauausschuss für den Erhalt des Sanatoriums Sedlmayr, dessen Eigentümer und Betreiber jedoch andere Pläne haben. Auch weitere Bauprojekte im Viertel missfallen dem Gremium

Von Klaus Schieder

Es ist ein eher ungewöhnlicher Vorgang, wenn Kurdirektorin Brita Hohenreiter im Bauausschuss des Stadtrats aufsteht, um ausdrücklich ein Plädoyer für den Erhalt eines gesundheitstouristischen Betriebs zu halten. Im konkreten Fall ging es am Dienstagabend um das Sanatorium Sedlmayr im Kurviertel. Dafür lag eine Bauvoranfrage vor, womit der Neubau von zwei Wohnhäusern mit Tiefgarage auf diesem Grundstück ausgelotet werden sollte. Das Sanatorium sei professionell geführt und bei den Gästen außerordentlich beliebt, sagte Hohenreiter und bat die Stadträte, "das Gebiet zu schützen, touristische Nutzung sollte hier vor Wohnnutzung gehen". Das Problem: Die Anfrage kommt von den Eigentümern und Betreibern des 30-Betten-Hauses. Roswitha und Winfried Sedlmayr zeigen sich alles andere als angetan vom Vorgehen der Kurdirektorin.

Das Sanatorium gehört für Hohenreiter zu den Vorzeigebetrieben in Bad Tölz. Der alteingesessene Familienbetrieb habe es nach dem Ende der alten Sozialkur in den Neunzigerjahren geschafft, Angebot und Ausstattung den Bedürfnissen des Marktes anzupassen, betonte sie in ihrer Stellungnahme, die sie auf Bitte von Stadtbaumeister Hannes Strunz verlas. Die Übernachtungszahlen hätten sich hervorragend entwickelt, von den Gästen gebe es eine ausnahmslos positive Resonanz. Das Sanatorium sei "eines der Leitprodukte bei uns im gesundheitstouristischen Bereich."

Ein Lob, das Roswitha Sedlmayr eigentlich gerne hören müsste. Stattdessen ärgert sie sich über die Kurdirektorin, die im Bauausschuss für den Erhalt des Sanatoriums plädierte, "ohne dass sie mit uns darüber geredet hat". Dadurch habe sie auf die Stadträte einen Einfluss ausgeübt, "der für uns massive Auswirkungen hat". Die Gästezahlen seien bisher gut, bestätigt die Betreiberin. Aber Hohenreiter habe nicht gefragt, wie die Prognosen für das nächste Jahr aussehen. Und auch die Nachfolgefrage spielt offenbar eine Rolle. Ihr Mann und sie selbst seien schon mehr als 60 Jahre alt, sagt Roswitha Sedlmayr. Mit rund 6000 Übernachtungen pro Jahr trage das kleine Haus im Übrigen nur etwa 0,8 Prozent zur gesamten Übernachtungszahl in Tölz bei, verdeutlicht Winfried Sedlmayr. Eine klare Aussage über die Zukunft des Sanatoriums verbirgt sich hinter all diesen Äußerungen allerdings nicht. Dazu wolle man "noch keine Stellungnahme abgeben", sagt Roswitha Sedlmayr.

Ein Fehlverhalten vermag Hohenreiter bei sich nicht zu erkennen. Zum einen müsse sie ihre Stellungnahme nicht vorher absprechen, meint sie. Zum anderen sähe sie sich als schlechte Kurdirektorin, "wenn ein gutes Haus aufhört, und ich würde dazu sagen: Ja super." Was die Prognosen angehe, so lägen ihr keine vor, "die ich adaptieren könnte". Bundesweit gelte der gesundheitstouristische Sektor weiterhin als Wachstumsbranche, so die Kurdirektorin.

Aus baurechtlicher Sicht war gegen die beiden Wohnhäuser auf dem Sanatoriumsareal nichts einzuwenden. Stadtbaumeister Strunz fand zwar "die schubladenartigen Terrassen" auf der Rückseite eigenartig. Aber die lägen ja versteckt, befand er. Allerdings verwies Bauamtsleiter Christian Fürstberger darauf, dass die vorbereitenden Untersuchungen für das Sanierungsgebiet Badeteil gerade laufen. Anders ausgedrückt: Für die Buchener Straße 12 bis 14 könnte die Stadt einen Bebauungsplan mit touristischer Nutzung aufstellen. Zudem stehe der Bauvorbescheid für das Sanatorium auch der Hotelbedarfsanalyse entgegen. Die Stadträte lehnten deshalb die Voranfrage ab und verhängten eine Veränderungssperre für das Areal.

Auch andere Wohnbauprojekte im Kurviertel missfielen dem städtischen Bauausschuss. Eine neue Anlage mit 24 Wohnungen sollte in dem denkmalgeschützten Anwesen in der Höckhstraße 10 und in einem angrenzenden Neubau in ähnlichem Stil entstehen. Zehn Domizile sind den Plänen nach kleiner als 60 Quadratmeter, sechs größer als 75 Quadratmeter. Die restlichen acht umfassen genau 65 Quadratmeter, jedoch ohne die dazugehörenden Terrassen. Und da liegt das Problem: Sie zählen für die Berechnung von Stellplätzen hinzu. Von den somit erforderlichen 38 Parkflächen werden nur 26 nachgewiesen, vier davon sollen abgelöst werden. Ein weiteres Manko sahen die Stadträte im Kinderspielplatz, der mit etwa 55 Quadratmetern gerade halb so klein ausfallen soll, wie in der städtischen Spielplatzsatzung festgeschrieben. "Eine Abweichung wurde beantragt, weil zehn Wohnungen kein Kinderzimmer haben", erklärte Strunz. Die Stadträte konnte dies nicht überzeugen. "Der Spielplatz ist zu klein - fertig", sagt Michael Lindmair (FWG). Ebenso wie René Mühlberger monierte er auch, dass der Freiflächenplan unvollständig sei.

Zehn Domizile, vier davon kleiner als 50 Quadratmeter, sollte ein neues Wohnhaus an der Kyreinstraße beherbergen. Die Zeichnungen des Architekten sehen ein dreigeschossiges Gebäude vor, das von der Wandhöhe her deutlich größer ausfällt als die umliegenden Häuser. Außerdem sollte das flache Walmdach sich auf der Nordseite in eine Art runtergezogenes Pultdach verwandeln, um im dritten Stock größere Wohnungen unterzubringen. Bürgermeister Josef Janker (CSU) schüttelte den Kopf: "Das ist eine Gestaltung, die ich überhaupt nicht verstehen kann." Lindmair sprach von einem "austauschbaren Haus, das in jedem Vorort von München oder Hamburg stehen kann". Andrea Grundhuber (Grüne) forderte, einen Gestaltungsleitfaden fürs Badeteil zu entwickeln, das sich sonst zu einem "gesichtslosen Stadtviertel entwickelt". Peter von der Wippel und Florian Rein (beide FWG) befürworteten das Bauvorhaben, blieben damit aber alleine. Die Stadträte beschlossen, einen einfachen Bebauungsplan aufzustellen und eine Veränderungssperre für das Gebiet zu erlassen.

Auch die Alpabob GmbH scheiterte zum mittlerweile dritten Mal mit ihrem Projekt, zwei Mehrfamilienhäuser zwischen der evangelischen Kirche und der Villa Adelheid an der Schützenstraße zu bauen. Anders als die Stadt, die dieses Areal als Außenbereich bewertet hatte, sieht das Landratamt dort bloß eine Baulücke. Ihr abermaliges Nein begründeten die Stadträte unter anderem damit, dass der Kinderspielplatz den Intentionen der städtischen Satzung zuwider laufe. Die Anlage soll in zwei Teile zergliedert werden, von denen einer lang und schmal ist. "Das ist für Kinder, die Boccia spielen", sagte Fürstberger.

© SZ vom 22.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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