Tölzer Prügel:Mit Kopfsprung in die Bürokratie

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Ein laut Bürgermeisterin Elke Zehetner "völlig irres" Badeverbot

Kolumne von Florian Zick

Keine Frage, Deutschland ist unangefochtener Bürokratieweltmeister. Selbst unser Alltag ist von vorne bis hinten streng durchreguliert. Man muss nur mal kurz im Internet suchen, um ein paar skurrile Beispiele zu finden: Wie haben Gartenzwerge auszusehen? Wie viele streunende Nachbarskatzen sind im eigenen Garten zumutbar? Und dürfen Imker eigentlich fremde Grundstücke betreten, wenn sie ein flüchtendes Bienenvolk verfolgen (ja, sie dürfen)? Zu all diesen Fragen hat die deutsche Rechtsprechung in ihrer Verwaltungsmanie umfangreiche Urteile verfasst.

Nun ist es eine Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2017, die mit etwas Verspätung auch in der Region ihre unliebsame Wirkung entfaltet. Es geht um die Badestege an den hiesigen Weihern und Seen. Diese dürfen - denn was kann da beim Reinspringen nicht alles passieren? - nur weiter bestehen bleiben, wenn die jeweils zuständige Kommune einen Bademeister zur Aufsicht abstellt.

Einen Bademeister muss man freilich erst einmal finden und auch bezahlen können. Die Stadt Penzberg zum Beispiel hat die Stege am Kirnbergsee und am Eitzenberger Weiher aus Angst, bei etwaigen Unfällen haftbar gemacht zu werden, deshalb für den Badebetrieb schon gesperrt. Ein gerichtlich verhängtes Spaßverbot! Nicht nur Penzbergs Bürgermeisterin Elke Zehetner (SPD) findet das "völlig irre".

Dass die Gerichte tief in unseren Alltag eingreifen, hat natürlich auch mit der unsäglichen "Wir sehen uns vor Gericht"-Mentalität zu tun. Man fragt sich aber, ob ein Leben nicht auch ein Stück weit eigenverantwortlich funktionieren darf. Muss man auf ein Spülmittel wirklich schreiben, dass es nicht zum Verzehr geeignet ist? Muss an einer Sonnenbrille wirklich der Hinweis hängen, dass man auch damit nicht minutenlang in die Sonne starren sollte? Und muss man wirklich erklären, dass ein nasser Badesteg rutschig sein kann und man sich kurz der Wassertiefe vergewissern sollte, bevor man einer Köpfer in den See macht?

Zum Glück lässt sich Recht am besten mit Recht bekämpfen. So ist in Penzberg ein Badespaß-Anwalt schon dabei, nach Gesetzeslücken zu suchen. Der Badesteg soll zu einem reinen Fischersteg und die Sprungplattform im Wasser zu einer Rettungsinsel umgewidmet werden. Wer von dort aus dann trotzdem ins Wasser springt, ist selbst schuld. Nimm das, du unsinnige Verordnung!

© SZ vom 24.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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