Auf dem Degerndorfer Friedhof:Würdiges Gedenken nach 77 Jahren

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Die Tafel an der Degerndorfer Kirche informiert über den Todesmarsch. (Foto: Hartmut Pöstges)

Münsing erinnert mit einem Stein und einer Tafel an Opfer des Todesmarsches der Dachauer KZ-Häftlinge.

Von Wolfgang Schäl, Münsing

"Zur Erinnerung und Mahnung - im Gedenken an die 28 KZ-Häftlinge, die beim Todesmarsch im April 1945 bei Achmühle ums Leben kamen und zunächst hier begraben wurden", steht auf dem schlichten grauen, stelenartigen Mahnmal, das jetzt auf der Nordseite des Degerndorfer Kirchenfriedhofs eingeweiht wurde, 77 Jahre nach dem Ende des Elendszuges. Es war eine überschaubare Gemeinde von 30 bis 40 Gästen, die sich am Freitag zu der stimmungsvollen, von Akkordeonklängen untermalten ökumenischen Feierstunde eingefunden hatte, eine Feier, die mit Blick auf die aktuelle Situation in der Ukraine bestürzend aktuell war.

Bürgermeister Michael Grasl (links) fragt sich, "ob der Mensch denn überhaupt nichts dazugelernt" habe. (Foto: Hartmut Pöstges)

Schon wieder habe man es mit der politischen Propaganda eines Diktators zu tun, sagte der Münsinger Bürgermeister Michael Grasl (FW) in seiner Ansprache und fügte die Frage an, "ob der Mensch denn überhaupt nichts dazugelernt" habe. Umso wichtiger sei es, "innezuhalten, ein Zeichen zu setzen und an das unvorstellbare Leid" der KZ-Häftlinge zu erinnern, die der Brutalität der mit Blick auf das drohende Kriegsende immer nervöser werdenden SS-Wachmannschaften ausgesetzt waren. Beerdigt sind die 28 Opfer des Todesmarschs in Degerndorf schon lange nicht mehr, die sterblichen Überreste wurden im Januar 1960 exhumiert und auf dem Ehrenfriedhof Leitenberg der KZ-Gedenkstätte Dachau beigesetzt. Dort sollen mehr als 7000 Kriegsopfer ihre letzte Ruhe gefunden haben.

"Zur Erinnerung und Mahnung" hat Münsing diesen Stein aufgestellt. (Foto: Hartmut Pöstges)

Über das furchtbare Ende des Todeszugs können sich historisch interessierte Besucher an einer Gedenktafel informieren, die außen an der Friedhofsmauer angebracht wurde. Was dort geschildert wird, lässt erahnen, mit welcher Grausamkeit die NS-Wächter gegen die dem Tode nahen Häftlinge vorgegangen sind. Im Wald oberhalb von Achmühle hatten mehrere tausend ausgemergelte Gestalten für zwei Tage kampiert, ohne jegliche Versorgung mit Essen oder Kleidern. "Die Toten lagen auf dem Boden nur so herum", heißt es da, "ein noch nie gesehenes Bild des Grauens". Und weiter: "Streng bewacht waren sie von 500 bis 700 SS-Posten, darunter wahre Teufel in Menschengestalt, schlimmer als ihre Hunde, die sie als Begleiter bei sich hatten. Sie schlugen die Häftlinge mit Gewehrkolben und hetzten gegen sie ihre Hunde, die diesen Hilflosen Kleider und ganze Fetzen Fleisch vom Leibe rissen ... es waren Bilder zum Weinen, wenn man diese Menschen vom Regen völlig durchnässt, verhungert buchstäblich bis auf die Knochen, ohne jede Nahrung, ohne Dach über dem Kopf auf dem bloßen Waldboden im frisch gefallenen, etwa 20 Zentimeter tiefen Schnee, dem sicheren Tod geweiht, liegen sah, ohne helfen zu können." 68 Menschen waren tot, als sich der Zug weiterschleppte, 28 wurden danach in Degerndorf beerdigt. Dies aber auch nur dank dem damaligen Pfarrer Ludwig Betzinger, denn viele der Opfer gehörten nicht der katholischen Kirche an und hätten in der geweihten Erde des Kirchhofs eigentlich nicht bestattet werden dürfen.

Eingehend beschäftigt hat sich mit der historischen Materie der Eurasburger Max Kronawitter, der im Anschluss an die würdevolle Feierstunde die Ergebnisse seiner jahrelangen Recherchen in dem beklemmenden Film "Als das Grauen vor die Haustür kam" dokumentierte. Bei der Gelegenheit berichtete auch der Altbürgermeister der Gemeinde Gauting Ekkehard Knobloch ausführlich von seinen Erfahrungen mit dem Projekt Todesmarschdenkmäler. Ihm gelang es seit Ende der Achtzigerjahre, viele Bürgermeisterkollegen von seiner Idee zu überzeugen, jeweils gleich gestaltete Skulpturen des Pullacher Bildhauers Hubertus von Pilgrim an der Todesmarsch-Strecke aufzustellen. Insgesamt deren 22 sind es bis jetzt.

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