Theater zu 1200 Jahre Steingau:Wie im Himmel

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Zum Jubiläum der Ortsgemeinschaft Steingau-Erlach bietet der Trachtenverein "d'Jasbergler" selbstironische und ein bisschen politisch ätzende Unterhaltung.

Von Jakob Steiner, Dietramszell

Endlich! Die Mesnerin entschwindet aus der Sakristei und sperrt die Tür zu. Die Heiligen um Martin von Tours am Hochaltar können sich wieder frei bewegen und vor allem: miteinander reden. Voller Eifer und durchaus zynisch erzählen sie von der ereignisreichen Geschichte des Ortes, in dem sie nun schon einige Jahrhunderte hausen. Auf einmal hören die Heiligen ein Rumpeln, die Kirchtür öffnet sich. Gerade noch rechtzeitig können sie wieder in Position gehen und von dort aus die jungen Leute beobachten, die sich in der Kirche erstmals einander annähern. Vielleicht heiraten die beiden ja bald in der schönen Kirche, natürlich unter den Augen des Heiligen Martin und seinen Konsorten.

Der gemarterte Heilige Sebastian, flankiert von Koloman und Florian, wird von der Mesnerin abgestaubt. (Foto: Manfred Neubauer)

Der Schneider Stadl in Steingau präsentiert sich als aufwendig umgestalteter und beheizter Theatersaal. Im 160 Besucher fassenden Zuschauerraum stehen Rita Flinspach, Gertraud Huber und Georg Böckl-Bichler. Sie zeichnen für den "urigen Dischkurs" verantwortlich. Das Bühnenspiel "Im Stoagara Heiligenhimmel" ist eines aus dem "Stoagara Vieraloa" - so auch der Titel des Theaterabends, der im Rahmen der 1200-Jahr-Feier der Ortsgemeinschaft Steingau-Erlach mehrmals aufgeführt wird und für den noch die letzten Proben stattfinden. Huber und Böckl-Bichler begannen im September vergangenen Jahres, die Texte für die Theaterstücke zu schreiben. Seit Anfang dieses Jahres probt die Theatergruppe des Trachtenvereins d'Jasbergler aus Baiernrain unter der Spielleitung von Huber und Flinspach fleißig. Und das Ergebnis kann sich sehen lassen.

In einer Urkunde des Bischos wird Steingau das erste Mal urkundlich erwähnt. (Foto: Manfred Neubauer)

Im Prolog ist Böckl-Bichler in dem Beruf zu sehen, den er abseits der Bühne bereits ausübte. Als Volksschullehrer Moser steht er vor seinen Schülern, die in Tracht mit Schultaschen aus Leder in Reih und Glied an alten Schulbänken sitzen. Er fragt ihnen Löcher in den Bauch, doch zu seinem Erstaunen bewältigen sie alle Aufgaben tadellos. In einem Fach hapert es allerdings. Die Kinder wissen zwar, dass die Geschichte Steingaus auf die "windigen Gebrüder" Engelbert und Heribert zurückgeht. Aber was damals genau geschah, können sie nicht beantworten. Der Lehrer erzählt ihnen "die wahre Geschichte".

Das Theaterstück "Oamoi Freising und retour". (Foto: Manfred Neubauer)

Es folgt eine Rückblende in die Gründungszeit Steingaus. "Oamoi Freising und retour" erzählt die Geschichte vom Pfarrer Engelbert, der seinen Bruder bei einem Stammtischgespräch im Gasthaus dazu erst überredet und schließlich dann mit ihm nach Freising geht. Dort soll "Steincoi" - so wurde Steingau erstmals urkundlich erwähnt - beim Bischof der Kirche überschrieben werden.

Das kongeniale Duo Heribert Illner (Engelbert) und Willi Huber (Heribert) stellt die "ersten" Steingauer derbkomisch dar und spart nicht an Seitenhieben zu aktuellen Themen. Der Running Gag ist die humanistische Überlegenheit des Pfarrers gegenüber Heribert, der nach jedem lateinischen Sprichwort verständnislos nachfragt: "Ha?", worauf Engelbert ihm eine deutsche Übersetzung liefert. Auch die Nachbarschaft kommt nicht ungeschoren davon: Als der Proviant im Wald vor München knapp wird, isst Heribert einen "original Sauerlacher" - Brot mit Brot. Die Episoden dieses "Roadtrips" ziehen sich als roter Faden durch den Abend.

Die Schulkinder Maria, Barbara, Martin und Hansi (v.l.) lauschen Lehrer Moser. (Foto: Manfred Neubauer)

Auch einen Ausschnitt der Serie, durch die Gustl Bayrhammer einst überregionale Bekanntheit erlangte, führen d'Jasbergler auf. In "Der Pfarrgockl" aus dem "Königlich Bayerischen Amtsgericht" persifliert der Autor Georg Lohmeier die Zustände vor Gericht aus der Zeit, in der in Bayern noch ein Monarch herrschte. Zum Abschluss feiert die Oid Bainroana Feuerwehrkapelln mit einem "musikalisch humorvollen Rundumschlag" den Geburtstag Steingaus. Selbstironisch und politisch scharf ist das Skript von Böckl-Bichler und Matthias Gilgenrainer. So wird beispielsweise der Marsch "Dem Land Tirol die Treue" zu "Dem Dorf Baiernrain die Treue" umgedichtet oder Sankt Martin um Erlösung von den Politikern gebeten. Natürlich darf auch der sozialdemokratische Kanzlerkandidat - und bestimmt auch bald heilige - Martin nicht fehlen.

Unter Federführung von Peter Hainz und Alfons Aichler erstellten die Trachtler das üppige Bühnenbild. Die anspruchsvolle Arbeit mit Liebe zum Detail ist auch an Kostümen und Requisiten erkennbar. Im Stile eines Hoagaschts überbrücken die Bernad Dirndln und der Baiernrainer Dreigesang die Umbauzeiten mit Dreigesang, Harfe, Geige und Quetschn.

Alle regulären Vorstellungen im Schneider Stadl, Fraßhauser Straße 6, sind bereits ausverkauft. Lediglich für den Sondertermin am Mittwoch, 29. März, 19.30 Uhr gibt es noch Restkarten zu zwölf Euro unter Telefon 08027/904152 (werktags von 18 bis 20 Uhr). Bewirtung durch den Festverein zusammen mit dem Gasthaus Steinbacher

© SZ vom 24.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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