SZ-Adventskalender:Verwüstetes Vertrauen

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Nach der Scheidung lebt Evi Q. mit ihren drei Kindern in Armut - der Vater zahlt nichts

Von Alexandra Vecchiato, Bad Tölz-Wolfratshausen

Es sind meistens die Kinder, die unter einer Scheidung zu leiden haben. Im Fall von Evi Q. (Name geändert) spiegelt dieser Satz die bittere Wahrheit wider. Vor acht Jahren trennte sich die heute 42-Jährige von ihrem Ehemann. Damals war sie zum dritten Mal schwanger. Zuvor musste sie durch die Hölle gehen, denn seit der Geburt des zweiten Kindes schlug sie ihr Ehemann. Dennoch wollte Evi Q. nie die Kinder von ihrem Vater trennen. Gerade der Erstgeborene sah zu ihm auf - egal, was der Vater seiner Ehefrau antat. Doch dann kam es zum Bruch, den der Junge nicht verkraftete. Der Vater ging eine neue Beziehung ein und wollte mit dem Sohn und seinen beiden anderen Kindern nichts mehr zu tun haben. Unterhalt zahlte er nie. Evi Q. lebt derzeit von Hartz IV.

Mit dem Geld haushalten zu müssen, sei nicht das Schlimmste, sagt die 42-Jährige. Ihr ältester Sohn kam mit der neuen Situation nicht zurecht, er verstand nicht, warum der Vater sich abwendete. Er wurde zunehmend aggressiv - gegen alles und jeden. Das blieb nicht ohne Folgen. Die Wohnung der Familie gleicht in manchen Räumen einem Trümmerfeld. Darüber kann auch die liebevolle Weihnachtsdekoration nicht hinwegtäuschen.

Praktisch alle Türen hat der Junge während seiner Anfälle demoliert, auch die Glasscheibe der Balkontür hat einen Sprung. Die meisten Möbel sind kurz vor dem Auseinanderfallen. Die Wände zeigen deutliche Spuren seiner Wutausbrüche. Er habe ihr die Schuld gegeben, erzählt die Mutter, anfangs zumindest. Seine Verhaltensauffälligkeit habe sich auch in der Schule aus gewirkt. Er musste sie verlassen, besucht nun ein Förderzentrum im Nachbarlandkreis. Es gehe ihm schon viel besser, erzählt die 42-Jährige. Er habe sich unter Kontrolle. Nun sei es an der Zeit, nach vorne zu schauen. Schließlich habe sie noch zwei Kinder, die ihrer Aufmerksamkeit bedürfen. Doch die Verwüstungen in der Wohnung lasten schwer auf Evi Q. Ihre Tochter würde so gerne Freundinnen einladen. "Aber das geht nicht. So nicht."

Aufgrund der finanziellen Situation der Familie sind große Sprünge nicht drin. Die 42-Jährige erzählt, wie schwer es ihr falle, wenn die Kinder von der Schule heimkämen und berichteten, welche hübschen Schuhe oder was für ein neues Smartphone andere Mitschüler hätten. Und dann die Frage: "Warum wir nicht, Mama?" Solle sie ihren Kindern etwa sagen, dass ihr Vater seiner Verantwortung nicht nachkomme? Dass sie arm seien und blieben? Tapfer lächelt die 42-Jährige und meint, dass sich irgendwann alles wieder einrenken werde.

Eines allerdings möchte Evi Q. ihren Kindern schon bieten können - und zwar so schnell es geht: schöne neue Zimmer und ein freundliches Zuhause. Auch der Vermieter macht Druck, dass die Schäden in der Wohnung endlich beseitigt werden. Die Nachbarn würden nicht mehr mit ihr sprechen, sagt die 42-Jährige.

Sechs neue Türen inklusive Wohnungstür, die Balkontür, eine neue Waschmaschine und vor allem Möbel für die Kinderzimmer, sprich: Betten, Matratzen, Lattenroste, Kleiderschränke, Schreibtische sowie eine Couch, wo sich die Familie im Wohnzimmer einmal versammeln kann - ein finanziell dicker Brocken. Evi Q. kann sich das alles nicht leisten. Der Adventskalender der Süddeutschen Zeitung könnte hier helfen. Und damit auch einige Wunden heilen helfen.

© SZ vom 04.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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