SZ-Adventskalender:Unheilbar darf nicht sein

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Die Chemotherapie hat Britta D. besonders zugesetzt. (Symbolbild) (Foto: Florian Peljak)

Britta D. träumt davon, einmal Großmutter zu werden. Doch die Ärzte machen ihr wenig Hoffnung. Die alleinerziehende Mutter hat Krebs. Über einen Kampf gegen die Diagnose und für das eigene Kind.

Von Claudia Koestler, Bad Tölz-Wolfratshausen

Aus der Hoffnung wurde nichts: Als Britta D. (Name geändert) vor einigen Jahren aus Ostdeutschland nach Bayern zog, hoffte sie nicht nur, dass ihr Mann eine bessere Arbeit gefunden hätte. Sie glaubte auch fest daran, dass es mit der Ehe wieder aufwärts ginge. Das geschah nicht, und die inzwischen Alleinerziehende klammert sich heute an eine gänzlich andere Hoffnung: "Ich will, dass meine Diagnose irgendwann heilbar wird. Ich will erleben, dass ich Großmutter werde - und sein kann", sagt Britta D. Doch die Ärzte geben ihr wenig Hoffnung: Lungenkrebs diagnostizierten sie bei ihr, die Metastasen sind im ganzen Körper verteilt.

Als sie gerade nach Bayern gezogen war, nahm sie eine Arbeit an. Doch bald merkte sie, wie ihr die Kondition abhandenkam. "Ich bekam immer schwerer Luft, die Treppen kam ich kaum mehr hoch, so sehr war ich außer Atem", erinnert sie sich. Wirklich ernst nahm das niemand in ihrem Umfeld: "Viele sagten mir erst, na, mach doch mehr Sport", und andere tippten auf ein schleichenden Burn-out-Syndrom. Doch vor zwei Jahren wachte sie eines morgens auf und eine Gesichtshälfte war gelähmt. "Beim Frühstück floss mir die Müslimilch einfach wieder aus dem Mund, weil ich keine Kontrolle mehr über meine Gesichtsmuskeln hatte." Der erste Gedanke: ein Schlaganfall. Sie kam mit dem Notarzt ins Krankenhaus, wurde eingehend untersucht. "Dann kam die Ärztin zu mir und hatte Tränen in den Augen. Sie sagte, es sei kein Schlaganfall - leider." Denn die Mediziner fanden in ihrem Brustkorb ein Krebsgeschwür und dazu Metastasen im ganzen Körper.

Ihr erster Gedanke habe ihrem Sohn gegolten, sagt Britta D., der zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal eingeschult war. "Die Mediziner haben gleich bei der Diagnose gesagt, die Sache ist unheilbar, ich hätte noch wenige Wochen, maximal ein halbes Jahr. Aber das geht einfach nicht. Nicht, solange ich für meinen Sohn da sein muss. Ich will es erleben, dass ich Großmutter werde", sagt sie. "Da bestehe ich drauf, und solange werde ich weiterkämpfen." Und sie hat ein weiteres Ziel: "Ich will, dass die Diagnose nicht länger unheilbar ist, sondern die Ärzte sie ändern müssen in heilbar."

Doch der Weg ist hart. Die Ärzte beginnen mit der Behandlung, sie erhält Chemo und Strahlentherapie. Die Nebenwirkungen sind so stark, dass sie die Behandlung immer wieder unterbrechen muss. Ihr Körper reagiert mit Entzündungen und Schmerz, so dass sie kaum mehr essen kann. Selbst wenn die Schmerzen zwischendurch unter Kontrolle sind, dann kann sie lediglich "Matschepampe" zu sich nehmen, wie sie es nennt - denn der Speichelfluss ist versiegt, sie kann trockene Speisen nicht mehr schlucken. Hilfe hat sie kaum - denn ihr Mann verlässt sie, Freunde und Familie sind weit weg.

Seither kämpft sie für sich und ihren Sohn alleine, die Scheidung läuft. Derzeit wird sie palliativ behandelt und muss mit der mageren Frührente auskommen. "Das Schlimmste sind die Ausgrenzungen, die man erlebt, weil man krank ist", erzählt sie. Etwa, als sie jüngst nach einer kleineren Wohnung suchte und potenzielle Vermieter sie ablehnten, "weil ich ja vielleicht sterben könnte". Nur durch einen Zufall hat sie nun eine Bleibe für sich und ihr Kind finden können, eingerichtet mit dem Notdürftigsten. Doch ein großer Wunsch blieb bisher unerfüllt: Spielzeug für den Bub und ein Laptop, um mit ihrer Familie korrespondieren zu können. Zum Trost und zur Ablenkung von einen Kampf, den sie ums Überleben führen muss, jeden Tag aufs Neue.

© SZ vom 03.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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