SZ-Adventskalender:Eine Waschmaschine als größter Wunsch

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Karlheinz M. hat immer gearbeitet, war engagiert und mitten im Leben - darüber vergaß er, für sein Alter vorzusorgen

Von Claudia Koestler, Bad Tölz-Wolfratshausen

"Irgendwie geht das Leben immer weiter", dieser Satz seiner Mutter hat sich Karlheinz M. (Name geändert) verinnerlicht. Daran hält er sich bis heute. Statt in Selbstmitleid zu verfallen, reflektiert Karlheinz M. viel und trägt es mit Würde und Fassung, wenn seine chronische, entzündlich-rheumatische Erkrankung bei jeder Bewegung schmerzt. Dass er nun im Rentenalter obendrein mit quasi nichts dasteht, obwohl er sein Leben lang hart gearbeitet hat: "Ja, da habe ich in jungen Jahren Fehler gemacht", sagt er. Und dass er deshalb heute nicht einmal eine Waschmaschine besitzt, sondern seine Schmutzwäsche trotz seiner Erkrankung kilometerweit bis zu einem Campingplatz in der Nachbarkommune tragen muss: "Da habe ich früher nicht im Traum daran gedacht, dass es so werden könnte", gibt er zu. Allerdings, die Zeiten waren andere, Rentenproblematik oder gar Altersarmut waren keine gesellschaftlichen Themen, als Karlheinz M. ins Berufsleben startete.

Ursprünglich wollte der heute Ende 60-Jährige Tierarzt werden und begann auch das entsprechende Studium. Doch die Tendenz zu immer mehr Massentierhaltungen, weg vom Tierwohl hin zu wirtschaftlichem Denken in der Haltung, das alles missfiel dem passionierten Tierfreund.

Folglich unterbrach er sein Studium und volontierte stattdessen bei einer Zeitung. Zusammenhänge hinterfragen, Skandale aufdecken, ein unbequemer Benenner sein, das lag dem kritischen Geist. Als freier Journalist verdiente er sich seinen Lebensunterhalt jahrzehntelang. Weil er sich thematische Nischen suchte, war er ein gefragter Korrespondent und lieferte auch die Fotos zu seinen Geschichten. Karlheinz M. schrieb für zahlreiche bekannte Magazine und reiste für seine Recherchen quer durch ganz Deutschland.

Doch zwischen Aufträgen, Recherchen und Abgabeterminen vergaß er eines: Nicht nur über das nächste Thema, sondern auch über das Alter nachzudenken. Zwar konnte er von seinen Zeilenhonoraren leben, doch um etwas zurückzulegen, dazu reichte es nicht. "Und wenn, dann standen gleich wieder Ausgaben an - für das Büro, für die Kamera, für die Recherchereisen. Die Kosten fraßen irgendwann den Nutzen auf", erkannte Karlheinz M. Doch da war es schon zu spät, um noch gegenzusteuern. "Erst mit Mitte 50 ging mir der Seifensieder auf, dass es so nicht weitergehen kann", sagt er. "Aber da war ja auch immer der Gedanke, dass man als Freiberufler eben länger arbeiten muss, dass man sich im Alter was dazuverdienen kann", sagt er.

Doch die Medienlandschaft hatte sich inzwischen verändert, seine Arbeit war nicht mehr gefragt: "Manche Redaktionen sagten mir klipp und klar, sie wollten lieber auf junge Kollegen setzen", erinnert er sich.

Heute erhält Karlheinz M. knapp 300 Euro Rente. Um überhaupt leben zu können, um die Miete für das kleine, bescheidene Zimmer zahlen zu können, muss das Sozialamt aufstocken. "Sprünge machen geht nicht", weiß er. Doch gerade auf dem Lande stehen die Strukturen einem bescheidenen, aber lebenswürdigen Alter für ihn entgegen. Denn weder in seiner Kommune noch in einer der Nachbarstädte gibt es einen Waschsalon. So bleibt Karlheinz M. nur eines übrig: Mit dem Waschkorb zu Fuß oder per Bus ab zum nächsten Campingplatz. Ein großer Wunsch wäre deshalb, eine Waschmaschine zu haben, aufgrund der beengten Platzverhältnisse einen Toplader. Das Leben mag auch ohne Maschine weitergehen. "Aber sie würde den Alltag einen riesigen Schritt leichter machen", gibt er ganz bescheiden und leise flüsternd zu.

© SZ vom 19.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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