Starnberg:Geheimnis gelüftet

Lesezeit: 4 min

Die "Starnberger Heilige" von Ignaz Günther, wertvollstes Exponat im Museum, stellt die heilige Katharina dar

Von Katja Sebald, Starnberg/München

Die "Starnberger Heilige" von Ignaz Günther kehrt ins Museum Starnberger See zurück. In der Restaurierungswerkstatt des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege hat sie unter den kundigen Händen von Rupert Karbacher ihre Identität gelüftet: Der Restaurator, der die Skulptur nach der Ausstellung in der Hypo-Kunsthalle untersuchte, konnte aufzeigen, dass es sich um die Darstellung der heiligen Katharina von Alexandrien handelt.

Als unbekannte Heilige stand die Figur viele Jahre in der sogenannten Kapelle des Starnberger Heimatmuseums - jetzt Museum Starnberger See - und bezauberte Generationen von Museumsbesuchern. Die "Starnberger Heilige" ist eines der berühmtesten, wenn nicht gar das berühmteste Kunstwerk der Region. Sie reiste als Botschafterin der süddeutschen Rokoko-Kunst nach London, wo sie im Victoria and Albert Museum zu sehen war. Im Olympiajahr 1972 wurde sie in München der Weltöffentlichkeit vorgeführt. Und zuletzt war sie der heimliche Star der Ausstellung "Mit Leib und Seele - Münchner Rokoko von Asam bis Günther" in der Hypo-Kunsthalle. Das ist umso erstaunlicher, als die Schnitzfigur nur fragmentarisch erhalten ist und bis vor kurzem noch völlig unklar war, welche Heilige sie darstellt. Man darf aber wohl mit Fug und Recht behaupten, dass es sich bei der "Starnberger Heiligen" um ein herausragendes Werk des wohl bedeutendsten Rokoko-Bildhauers Ignaz Günther handelt - und dass eine ganz besondere Anziehungskraft von der unbekannten Schönen ausgeht.

Typisch für Ignaz Günther ist ihr feines, ausdrucksstarkes Gesicht, vor allem aber die virtuose Gewandgestaltung. Ihre anmutige, leicht gedrehte Körperhaltung mit dem geneigten Köpfchen, ihr üppig und weich fallendes, von einem luftigen Himmelblau überhauchtes Gewand, das in der Mitte von einem goldenen Mieder zusammengehalten wird und im Rücken beinahe wie ein Flügelpaar ausschwingt, lassen sie zart, geradezu sphärisch und engelsgleich erscheinen.

Nicht zuletzt vermittelt die Fußspitze, die unter dem Kleid hervorlugt, den Eindruck, die Heilige würde tanzen oder gar fliegen. Eine Deutung der Figur war bislang nicht möglich, da ihr beide Hände - und damit offensichtlich auch ihr Heiligenattribut - fehlen.

Die Untersuchungen von Karbacher lassen nun ein ganz anderes Bild erstehen: Man muss sich die Figur an ihrem ursprünglichen Aufstellungsort, bei dem es sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um einen Altar handelte, in leicht kniender Haltung vorstellen. Ihr linkes, nicht sichtbares Bein oder Knie war auf einer Volute abgestützt. Eine aus dem Gewandsaum entfernte Flickstelle hat eine Öffnung freigelegt, in der sich als Heiligenattribut ein Rad befand, das Attribut der heiligen Katharina von Alexandrien. Ein Vergleich mit der ebenfalls von Ignaz Günther stammenden Katharina am Eligius-Altar in der Münchner Peterskirche macht sowohl die Position auf der linken Altarseite über einer Volute als auch die Anbringung des Attributs hinter dem rechten Fuß deutlich. Man darf nun also auch vermuten, dass die Starnberger Katharina wie ihre Münchner Schwester ein Schwert in der rechten Hand hielt - und dass sie in der ursprüngliche farbigen Fassung, von der nur noch wenig erhalten ist, einen deutlich anderen, weniger sphärischen Eindruck als heute vermittelt haben dürfte. Die Ausbesserung an der Stelle, an der ursprünglich das Rad eingesetzt war, und die wenig sachgemäße blaue Übermalung erhielt die Figur bei einer Restaurierung Ende der Dreißigerjahre, die vom damaligen Kustos des Museums ausgeführt wurde.

"Es wird oft unterschätzt, wie sehr die Fassung eine Skulptur verändert", sagt Rupert Karbacher. Aufgrund seiner Untersuchungen kann er genau nachvollziehen, wie die heilige Katharina ausgesehen hat, als sie im Jahr 1755 die Werkstatt von Ignaz Günther verließ. Sie trug das noch sichtbare goldfarbene Mieder, dazu eine hellblaue Bluse und einen kräftig blauen Überrock, der auf seiner Innenseite hellgelb war. Über dem rechten Bein war der rote Unterrock sichtbar, die Riemchen ihrer Sandalen waren ebenfalls vergoldet. Auf ihre orientalische Herkunft könnte das große ockerfarbene Kopftuch hindeuten, das mit weißen, blauen und grünen Streifen verziert war, ihr über die Schultern bis weit über den Rücken fiel und vor der Brust verknotet war.

Nach der Legende war Katharina eine Königstochter, zu ihrer noblen Herkunft passt die prächtige Kleidung ebenso wie der goldene Haarreif und die Perlenschnüre in ihren Haaren.

Die Stadt Starnberg hat sich gegen die vom Landesamt für Denkmalpflege vorgeschlagene Restaurierung ausgesprochen. Museumsleiterin Sibylle Küttner will die überaus wertvolle Skulptur voraussichtlich ab November wieder so zeigen, wie die Starnberger sie kennen: mit der blauen Übermalung aus den Dreißigerjahren, unter der nur noch sehr wenig von der ursprünglichen Fassung erhalten ist. "Sonst würde die Figur ihren Charakter verlieren", sagt Küttner: "Sie wäre praktisch nackt und das finden wir nicht ästhetisch, auch wenn es wissenschaftlich korrekt wäre."

"F.J. Gindter.fecit.1755" - diese Signatur in der rückwärtigen Aushöhlung der Skulptur weist die Starnberger Heilige als Werk von Ignaz Günther aus. In welchem Zusammenhang sie entstand und wo sie ursprünglich aufgestellt war, ist nicht bekannt. Rund 150 Jahre ihrer Geschichte liegen im Dunkeln, über ihre Aufenthaltsorte bis zu ihrer Auffindung im Jahr 1913 weiß man nichts. Ihr Zustand lässt vermuten, dass sie über viele Jahre großen Temperaturschwankungen ausgesetzt war und dass sie mehrmals transportiert wurde. Die Heiligenfigur befindet sich seit der Eröffnung des Starnberger Heimatmuseums im Jahr 1914 im Besitz der Stadt Starnberg.

Wo sie einst als Altarfigur, mit großer Wahrscheinlichkeit mit einer gespiegelten weiteren Figur, verehrt wurde, dazu gibt es bislang nur Vermutungen. Da ein Zusammenhang mit der Kirche in Hanfeld, die in der Vergangenheit immer wieder genannt wurde, aufgrund neuerer Forschungen ausgeschlossen werden darf, könnte das kleine, St. Peter und Paul geweihte Kirchlein in Harkirchen wieder ins Spiel kommen. Immerhin wurde die schöne Heilige in dessen unmittelbarer Nachbarschaft gefunden.

© SZ vom 17.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: