Das wohl ehrgeizigste Beteiligungsprojekt in Geretsrieds Stadtgeschichte ist angelaufen: Geretsried schreibt sein Stadtleitbild fort. Die Mitglieder des Leitbild-Teams haben auf ihrem ersten Treffen vereinbart, Arbeitsgruppen zu gründen und 1700 Bürger zu deren Vorstellungen zu befragen. Sie sollen sich unter anderem zur Zukunft der Energieversorgung äußern, zu Verkehrsfragen, zu Kultur und Sport, aber auch zum neu zu planenden Stadtteil auf der Böhmwiese. Im März 2013 soll der Stadtrat das "Leitbild 2025" beschließen.
Bislang hat es sich als relativ mühsam erwiesen, die Geretsrieder zu einem regen Einsatz für die Belange ihrer Stadt zu bewegen. Bisher ist es nur mit Mühe gelungen, die Geretsrieder dazu zu bringen, sich für die Belange ihrer Stadt einzusetzen. Die Wahlbeteiligung ist traditionell niedrig, und immer wieder beklagen Bürgermeisterin Cornelia Irmer (parteifrei) und Stadträte, dass sich selten ein Gast in Stadtratssitzungen blicken lässt. Auch die Bürgerversammlung kürzlich war spärlich besucht. Dass die Fortschreibung des aus dem Jahr 1999 stammenden Leitbilds jetzt die Massen mobilisiert, erscheint daher zunächst fraglich. Und doch legen Parteien und Stadt Hoffnungen in das Projekt.
Allein die Bebauung der zentralen Böhmwiese dürfte viele interessieren, wobei dieser Komplex vertieft in einem vom Projektentwickler gesteuerten Beteiligungsprozess beraten werden soll. Vor allem aber sollen die Bürger nicht wie 1997 bis 1999, angeleitet von einem Projektbüro, nur mitmachen. Das Ganze wird diesmal rein ehrenamtlich von Geretsriedern getragen, und es soll nicht nur geredet werden. Arbeitsgruppen sollen Projekte auch vorantreiben.
Das erste Treffen des Leitbild-Teams machte jedenfalls Hoffnung, dass das Vorhaben gelingen könnte. Mehrere Teilnehmer berichten von einer guten Atmosphäre. Der TuS-Vorsitzende Stephan Heinle steht dem fünfköpfigen Team vor, dem aus dem Rathaus Amtsleiterin Ute Raach und Bauamtschef Jochen Sternkopf zugeordnet sind. Heinle bringt Erfahrung mit. Er hat als Stadtteilmanager einmal im Münchner Hasenbergl ein Bürgerbeteiligungsprojekt geleitet. Heinle sagt, es habe sich eine "dynamische" Gruppe gefunden aus Leuten, "die Lust haben, ihre Stadt zu gestalten". Als nächstes gilt es sieben weitere Personen als Leiter der Arbeitsgruppen zu finden, die die zu bearbeitenden Handlungsfelder abdecken. Viel soll über direkte Ansprache laufen. Heinle fehlt es dabei als Vorsitzendem des mitgliederstärksten Sportvereins im Landkreis nicht an Anknüpfungspunkten. Heinle will die Homepage der Stadt nutzen, plant Infostände und Foren, zu denen mehr als die 40 Personen kommen sollen, die Ende der 90er bei der Leitbilddebatte dabei waren. Man habe hochgesteckte Ziele, sagt Sternkopf. Nach seinem Gefühl wird es "gut laufen".
Themen, über die es sich zu reden lohnt, gibt es. Ein Punkt, der 1999 als Handlungsempfehlung Eingang ins Leitbild fand, aber bis heute nicht umgesetzt ist, ist ein Bürgerhaus oder Kulturzentrum. Heinle fragt sich, wie die Bindung der Menschen an ihre Stadt gestärkt werden kann. Die S-Bahnverlängerung wird nach Sternkopfs Einschätzung dagegen kaum eine Rolle spielen, "weil man davon ausgeht, dass die kommt". Über die B11-Verlegung werde zu reden sein, und Ellen Lutze, Vorsitzende der Freien Wähler und Mitglied im Leitbild-Team, hofft vor dem Hintergrund der diskutierten Belastung von Pädagogen an der Mittelschule und die angestrebte Energiewende auf Anstöße. Grünen-Stadträtin Beate Paulerberg erwartet als Teammitglied, dass die Bürger mitmachen, um den Trend zur baulichen Verdichtung in der Stadt zu bremsen. Am öffentlichen Interesse fehle es nicht, ist sie überzeugt.
Das nächste Treffen des Stadtleitbild-Teams ist für 16. April terminiert.