Stadterhebung vor 100 Jahren:Penzberg, ein Vorbild für Europa

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In der Jubiläumssitzung des Stadtrats blicken die Laudatoren zurück und nach vorne

Von Alexandra Vecchiato, Penzberg

Vielleicht ist dies das Treffendste, was über die Stadt Penzberg gesagt werden kann: "Weil deine Schönheit erst beim zweiten Blick auffällt." Entnommen ist diese Zeile einem Lied - im Original "Weus'd a Herz hast wie a Bergwerk" von Rainhard Fendrich -, das erstmals beim Stadtfest 2011 von Tom Sendl, Markus Bocksberger und Michael Wiesner interpretiert wurde. Dieser Song blieb nicht die einzige Liebeserklärung an diesem Mittwochabend an die ehemalige Bergarbeiterstadt, die 2019 "100 Jahre Stadterhebung" feiert.

Der Historiker Reinhard Heydenreuter, selbst Penzberger Stadtratsmitglied von 2008 bis 2016, entführte das Publikum in die Zeit vor 100 Jahren. (Foto: Harry Wolfsbauer)

In der Stadthalle, einst der Stolz der Penzberger Arbeiterklasse, traf sich der Stadtrat zu seiner Jubiläumssitzung. Zahllose Gäste waren gekommen, um diesen besonderen Abend zu erleben. Als Festredner trat der Historiker Reinhard Heydenreuter, selbst von 2008 bis 2016 Mitglied des Penzberger Stadtrats auf. Launig entführte er die Anwesenden in jene Zeit vor 100 Jahren, als Penzberg alles andere als eine adrette Stadt im Oberland war. Schmutzig war es, Ruß und Rauch hingen in der Luft. "Die heutige Feinstaubdiskussion ist für einen Penzberger lächerlich. Er ist resistent", scherzte Heydenreuter. Die Menschen waren damals arm und hatten wenig zu essen. "1919 waren die Menschen unterernährt", erzählte der ehemalige Archivdirektor am Bayerischen Hauptstaatsarchiv. Mit 1000 Kalorien pro Tag hätte man auskommen müssen. Politisch gesehen waren es ebenfalls unruhige Zeiten, vollends Chaos herrschte nach der Ermordung Kurt Eisners im Februar 1919. Nach dessen Tod wurde in München die Räterepublik ausgerufen. Doch eines haben die Penzberger in diesen wirren Tagen dennoch geschafft: Ihr Ort wurde im März zur Stadt erhoben. "Penzberg ist ein künstliches Gebilde mit großer Integrationskompetenz", sagte Heyenreuter. Kennenlernen und integrieren seien seit Bergwerkszeiten bei Penzbergern genetisch veranlagt. Mit 85 ansässigen Nationen müsse die Stadt nicht europäischer werden, "aber Europa mehr wie Penzberg werden", schloss der Historiker seine Laudatio.

Musik, Geschichte, Politik: In der Stadthalle traf sich der Stadtrat zu seiner Jubiläumssitzung, der auch zahllose Besucher beiwohnten. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Einen Ausblick in die Zukunft der Stadt gab Bürgermeisterin Elke Zehetner (SPD/parteifrei). Penzberg habe eine großartig florierende Wirtschaft. "Zu Recht erwarten die ortsansässigen Firmen den Erhalt und den Ausbau unserer Infrastruktur und vor allem ein vernünftiges und bedarfsgerechtes Flächenangebot", sagte sie in ihrer Laudatio. Die "Oberlandwirtschaftslokomotive Penzberg" gebe der Region Sicherheit und Wachstum. Ein großes Thema für die Zukunft werde die Digitalisierung sein, der sich auch Penzberg nicht verschließen könne. "Zudem müssen wir auf eine qualitativ hochwertige und dennoch bezahlbare Wohnraum- und Wohnqualität achten." Die Bürger wünschten sich eine naturnahe, grüne Stadt und hätten ein Anrecht auf den Erhalt vieler grüner Lungen. Deshalb sollen zum Stadterhebungsjubiläum 100 neue Bäume in Penzberg gepflanzt werden. "Penzberg hat uns eine Vergangenheit geschenkt und wir haben die Aufgabe, unserer Stadt miteinander eine Zukunft zu geben", schloss Bürgermeisterin Zehetner ihre Ansprache. "Möge sie erblühen und die Menschen, die hier leben, sollen sich an ihrer Stadt auch in der nahen und fernen Zukunft erfreuen."

Erfreut waren die Anwesenden vom musikalischen Begleitprogramm, das nicht nur aus der Adaption österreichischen Liedguts bestand. Neben Klassik war auch eine musikalische Liebeserklärung der Gebrüder Rasinger, ein zu ihrer Zeit aus dem Radio bekanntes Volksmusik-Duo, zu hören. Anfang der 1950er-Jahre hatten die Brüder das "Penzberger Lied" komponiert, in dem die Schönheit des Loisachtals und der umgebenden Berge besungen werden.

© SZ vom 15.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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