Sexuelle Belästigung:Verfängliche Bewegungen

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Ein 45-jähriger Berliner soll einen 13-Jährigen in einem Tölzer Erlebnisbad begrabscht haben. Das Amtgericht Wolfratshausen glaubte der Aussage des Buben - und sprach den Mann dennoch frei.

Ingrid Hügenell

Im Zweifel für den Angeklagten - nach diesem Rechtsgrundsatz hat der Wolfratshauser Amtsrichter Johann Lupperger am Mittwoch einen 45-jährigen Kirchenmusiker aus Berlin freigesprochen. Der Mann war angeklagt, vor einem Kind sexuelle Handlungen vorgenommen zu haben.

Im Juli 2010 hatte ein 13-Jähriger Österreicher mit seiner Cousine und deren Mann ein Erlebnisbad in Bad Tölz besucht, der Junge und der Verwandte gingen dort in die Sauna. Als der Cousin auf die Toilette musste, blieb der Junge allein in der Sauna-Kabine - außer ihm waren zunächst keine anderen Gäste da. Der 13-Jährige lag auf dem Bauch auf einer Saunabank, als ein Mann, der jetzt Freigesprochene, hereinkam.

Wie der Bub bei der Verhandlung aussagte, habe sich der Mann neben ihn gesetzt, obwohl in der Sauna noch reichlich Platz war. Dann habe er ihn am Oberschenkel gestreichelt. Als er aufschaute, habe der Mann seine linke Hand weggenommen. Gleichzeitig habe er Bewegungen des rechten Oberarms wahrgenommen, die er als Onanierbewegungen deutete. Der Junge verließ die Saunakabine sofort und erzählte alles seiner Cousine.

Der Angeklagte wollte sich nicht zu den Vorwürfen äußern, Zeugen des Vorfalls gab es nicht. Staatsanwalt Anton Kiendl sah die Aussage des Jungen als glaubwürdig an und wertete die Gleichzeitigkeit von Streicheln und Armbewegung als starkes Indiz dafür, dass der Mann tatsächlich onaniert habe. Auch habe er mindestens billigend in Kauf genommen, dass es sich bei dem Buben um ein Kind handelte.

Dies ist in sofern von Belang, als sexuelle Vergehen an Kindern unter 14 Jahren härter bestraft werden als solche an Jugendlichen über dieser Altersgrenze. Positiv fiel ins Gewicht, dass der Mann noch nie in Erscheinung getreten war, als negativ wurde bewertet, dass der Junge schutzlos gewesen sei.

An der Glaubwürdigkeit des Buben wollte auch der Münchner Rechtsanwalt Claus Pinkerniel nicht zweifeln. Von einer "flüchtigen Berührung" auf eine sexuelle Handlung zu schließen, sei aber nicht zulässig, sagte er. Der Junge habe schließlich nicht gesehen, ob die Hand des Mannes in dessen Schritt gewesen sei. Und überhaupt: "Ich stelle es mir schwierig vor, sich in der Sauna eine Erregung zuzufügen."

Obwohl auch er keinen Zweifel daran hatte, dass der Junge die Wahrheit gesagt hatte, sah Richter Lupperger eine sexuelle Handlung nicht als bewiesen an. Der Angeklagte könnte sich auch nur gekratzt oder die Genitalien zurecht gerückt haben, sagte er. Ob der Junge zum Zeitpunkt der Tat subjektiv als unter 14-jährig zu erkennen gewesen sei, könne man objektiv nicht nachprüfen. Denn es seien keine Fotos gemacht worden - "ein Ermittlungsmanko". Deshalb komme nur ein Freispruch infrage. Staatsanwalt Kiendl ließ offen, ob er Rechtsmittel einlegen wird. Im Plädoyer sagte er, er hoffe, der Angeklagte werde sich die Sache "zur Warnung gedeihen lassen".

© SZ vom 18.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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