Seeshaupt:Die Spurensucherin

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Anneke Våge zeigt in Seeshaupt ihre Materialbilder

Von Katja Sebald, Seeshaupt

Als Frau müsse man bei der Berufsausübung flexibel sein, findet Anneke Våge. Über einige Umwege kam die 1960 geborene Hamburgerin zur Malerei und wurde schließlich zur Bildgestalterin. Mit "Relikte und Spuren" hat sie ihre Ausstellung in der Seeresidenz Alte Post in Seeshaupt überschrieben. Våge studierte Industriedesign in Hamburg, an der Parsons School of Design in New York und der Academy of Art in San Francisco. In Frankreich und Schweden arbeitete sie als Produktdesignerin. Sie ist mit einem Norweger verheiratet und lebt in Icking. Einige Jahre leitete sie eine Kinder-Malschule, jetzt arbeitet sie wieder als Designerin.

Die Motive für ihre Bilder findet sie auf Reisen oder Spaziergängen. Die Maserung von verschiedenen Holzbrettern und die Struktur eines Untergrunds aus zerbrochenen Ziegeln, von einer Rolle Stacheldraht oder von einem verbogenen Maschendrahtzaun überträgt sie direkt vor Ort als Frottagen auf den Malgrund, der zumeist ein relativ dünner Stoff ist. Fundstücke, die sich nicht abpausen lassen, werden zuweilen auf das Bild aufgebracht: uralte handgeschmiedete Nägel oder die Glieder einer rostigen Kette. Verwendet sie dünne Holzplatten als Bildgrund, werden auch die Formen von Metallstücken oder grobe Stoffstrukturen mittels Abklatschverfahren übertragen.

Sie habe eine Vorliebe für schöne Materialien und für Dinge, die eine Geschichte mitbringen, sagt Våge. So ist aus der Malerin eine Spurensucherin geworden. Relikte menschlichen Lebens wecken ihr Interesse: Weggeworfenes oder Liegengelassenes mit Spuren von Gebrauch und Verfall. Einmal eingefangen, werden diese Dinge zu Protagonisten in neuen Geschichten: Aus dem Stück Holz, das sie mehrmals auf den weißen Stoff übertragen hat, wird durch Hinzufügen einiger weniger Linien ein luftiger Flugdrachen, aus den zerbrochenen Ziegeln auf einem Waldweg ein riesenhaftes Reptil und aus ein paar Kreisen eine Formation von Seifenblasen. Våge nimmt den Betrachter mit auf ihre eigenen Assoziationsreisen, sie entführt ihn in ihre eigenwilligen Material-Landschaften und zeigt ihm ihre Kostbarkeiten aus dem Müll, in denen sie eine ganz neue Schönheit jenseits von Perfektion und Funktionalität entdeckt hat.Die ältesten Exponate stammen aus den Jahren 2005 und 2006. Sie zeigen eine völlig ändere Arbeitsweise: Damals malte die Künstlerin Blüten und Gräser, Autos und Straßenszenen nach Fotovorlagen, die sie farbig im großen Format umsetzte. Auch Figürliches, Porträts und Landschaften sind dabei. Diese dekorativen Bilder schmälern den Gesamteindruck deutlich.

Anneke Våge : "Relikte und Spuren", Seeresidenz Alte Post, Seeshaupt; bis 11. Mai

© SZ vom 30.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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