Schleppen statt studieren:Geschichte zum Anpacken

Lesezeit: 2 min

Schüler des Günter-Stöhr-Gymnasiums aus Icking helfen dem Badehaus-Verein bei den umfangreichen Bauarbeiten für eine Dokumentationsstätte in Waldram. Das Museum soll 2017 eröffnet werden

Von Thekla Krausseneck, Wolfratshausen

Das Holz rumpelt die Treppe hinab, rutscht über die Stufen und kracht unten gegen die Wand - mit einem solch ohrenbetäubenden Knall, dass man noch am anderen Ende des Badehauses zusammenzuckt. Staub und Steinchen rieseln aus einem Loch in der Decke eines leeren Raums - eines von vielen Löchern, die Vereinsmitglieder gebohrt haben, um die Statik des Gebäudes zu prüfen. Das war angesichts dessen, was dem Haus noch bevorsteht, unverzichtbar: Nicht nur der Boden kommt raus, auch ein guter Teil der Innenwände soll eingerissen werden. Ein Schritt von vielen; am Ende des Wegs soll das Badehaus wieder so aussehen wie das Original der Vierzigerjahre, als die Displaced Persons im Erdgeschoss in einem großen Saal wohnten und nicht etwa in den vielen einzelnen Zimmern, die jetzt dort zu sehen sind. Hilfe bekommt der Verein am Samstag von sechs Schülern des Ickinger Günter-Stöhr-Gymnasiums.

Aus Kostengründen - und weil es Geschichte erfahrbar, buchstäblich greifbar macht - packen die Mitglieder des Badehaus-Vereins so gut es geht ehrenamtlich an. Nur die heiklen, gefährlichen Aufgaben wollen sie Fachfirmen überlassen, etwa das Einreißen der Wände oder das Einsetzen der neuen Fenster. Die sollen sich an den Originalen orientieren; ein Waldramer hat vor kurzem ein solches Fenster vorbeigebracht, das er noch in seinem Keller stehen hatte. Alt, nicht mehr ganz weiß und mit einem Rahmen, der das Glas viertelt, lehnt es jetzt an der Wand.

Schüler des Ickinger Günter-Stöhr-Gymnasiums haben beim Ramadama im Waldramer Badehaus mitgeholfen. (Foto: Hartmut Pöstges)

Der Badehaus-Verein ist schon weit gekommen: Bis vor kurzem stand noch in jedem Raum des 800 Quadratmeter großen Hauses ein schwerer Heizungsradiator, die Türen hatten Rahmen und Stöcke und hie und da warteten Badewannen darauf, abmontiert und zertrümmert zu werden. Von all dem ist jetzt nichts mehr zu sehen. Doch obwohl der Verein bereits gut 600 ehrenamtliche Arbeitsstunden allein am Bau geleistet hat, steht ihm viel bevor. Das ganze Jahr hindurch soll im Badehaus geschuftet werden, erst voraussichtlich 2017 wird man mit der Einrichtung des Museums beginnen können. Auch die Planung der Innenausstattung läuft auf Hochtouren.

Mitglied im Badehaus-Verein ist auch das Günter-Stöhr-Gymnasium. Lehrer Sebastian Schauberger leitet das Projekt-Seminar der Q 11, das sich mit der Geschichte des Lagers Föhrenwald beschäftigt. Vier seiner Schüler - Paulina von Hardenberg, Nicole Kuhnert, Quirin Heene und Pauline Sayn-Wittgenstein - helfen mit, die Holzböden vom Obergeschoss vor das Gebäude zu befördern. Unterstützt werden sie von den Brüdern Imanuel und David Köthnig aus Waldram, die auch das Ickinger Gymnasium, aber nicht das Seminar besuchen, jedoch aus Interesse an der Materie spontan zugesagt haben.

Dem Waldramer Badehaus geht es an die Substanz: Die Freiwilligen zersägen die Holzböden und hieven die Stücke gemeinsam heraus. (Foto: Hartmut Pöstges)

In einem der oberen Räume, der nach Abriss der Innenwände in einem Saal unter dem Dachgebälk aufgehen wird, kniet der stellvertretende Vorsitzende Wolfgang Saal. Mit den Händen zieht er eine kreischende Säge durch das Holz. Die Säge zerlegt den Boden in Quadrate, die von den Schülern herausgewuchtet und weggetragen werden. Darunter kommt ein dunkelgraues Stein-Granulat zum Vorschein. An anderer Stelle wurde statt der Steine Glaswolle verwendet, ein nicht ungefährliches Material: Wer seine feinen Fasern einatmet, könnte an Lungenkrebs erkranken. Diese Arbeit ist für die Schüler also tabu. Ein paar ältere Mitglieder, die sich vor Folgen nicht fürchten, haben die Glaswolle in Säcke gestopft und diese in einem kleinen Raum im Erdgeschoss deponiert.

"Wir sind total glücklich, dass die Schüler uns helfen", sagt die Vorsitzende Sybille Krafft. "Wir spüren, wie der Stab der Erinnerung weitergereicht wird." Die Schüler arbeiten für ihr Seminar an einem Erinnerungsprojekt, das auch Zeitzeugeninterviews integriert. Mit der Arbeit am Badehaus könnten die Schüler nun noch einen Schritt weitergehen, sagt Krafft: Sie mache das Projekt für sie "im wahrsten Sinne des Wortes begreifbar".

© SZ vom 11.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: