SZ-Serie: Unikate:Stich für Stich zu Erwin und Konrad

Lesezeit: 3 min

"Schnell mal eine Tasche nähen, das geht nicht", sagt Maureen Seeler. (Foto: Hartmut Pöstges)

Maureen Seeler entwirft und produziert farbenfrohe Ledertaschen in ihrer Schäftlarner Werkstatt. Dass sie Männernamen haben ist nicht das einzig Außergewöhnliche an ihnen.

Von Susanne Hauck, Schäftlarn

Rudi, Emil, Günther. Maureen Seeler hat ihren Damenhandtaschen zum Spaß Männernamen gegeben. Und jeder Kerl hat seine Besonderheiten. "Flo" passt rund um die Uhr, "Philipp" lässt sich aufknöpfen und "Konrad" am Schulterriemen adrett verknoten. Dass die Schneiderin sich seit elf Jahren auf diese besondere Nische konzentriert, hat einen einfachen Grund. "Weil die meisten Handtaschen so hässlich und spießig sind", lautet ihre prompte Antwort. Seeler, eine patente Frau mit zierlicher Figur und einem angenehm offenen Wesen, muss lachen, so spontan ist ihr das herausgerutscht. Unnütz baumelnder Schnickschnack und fette Designerlogos sind nicht ihr Ding. "Ich mag keinen Firlefanz, bei mir muss es praktisch und schlicht sein."

In ihrem Haus am Schäftlarner Benediktweg, wo sie mit ihrem Mann und den beiden Töchtern lebt, produziert sie auch ihre Taschen aus feinem Leder. Die Basis bilden acht Grundmodelle, die meisten davon sind zum Umhängen. Gelb, Petrol, Rot - es darf gern farbenfroh sein, "aber die klassischen Töne wie Braun und Schwarz gehen am besten".

Am Anfang steht die Schnittentwicklung. Die verschlingt am meisten Zeit. "Manchmal dauert es ein Jahr, bis ich die Form gut genug finde." Seeler legt Wert auf viele Details: Geräumiger Eingriff, um den Inhalt mühelos zu erreichen. Kein zu großes Eigengewicht, sonst lässt sich die Tasche nicht den ganzen Tag mitnehmen. Die Henkel nicht zu lang, sonst schleift sie bei kleinen Frauen am Boden; aber auch nicht zu kurz, sonst passt sie nicht mehr unter die Achsel, wenn ein dicker Mantel dazwischen ist. Seeler trägt ihre Prototypen wochenlang probeweise spazieren. "Ich bin da schon Perfektionistin."

Ihr größter Ehrgeiz ist die hochwertige Verarbeitung, wodurch sie so manchen Möchtegern-Designer aus dem Internet deklassiert. "Schnell mal eine Tasche zusammennähen, das geht nicht", sagt die 44-Jährige. Sie demonstriert das an einem Schulterriemen, an dem sie gerade arbeitet. Ihn vierfach zusammenzulegen, sauber und dauerhaft haltbar mit dem traditionellen Knochenleim zu verkleben, das kriegt man nur mit entsprechendem handwerklichen Geschick hin. "Sonst gibt es unschöne Ränder und es sieht ganz schnell wie selbstgebastelt aus." Für eine perfekte Kante klopft sie mit dem Hammer ("bis es hart ist wie Holz"), poliert und glättet mit Schleifpapier. Manche Leute stellten sich das Taschennähen simpel vor. Wie viele Meter Leder sie sich denn für ein Modell herunterschneiden lasse, sei sie schon gefragt worden. Als Antwort rollt sie eine ganze natürliche Rindshaut mit ihren unregelmäßigen Umrissen aus: "So sieht das aus, wenn ich zuschneide."

Es ist viel Verschnitt dabei, denn für den Korpus der Tasche kann sie nur die dickste Stelle vom Rücken nehmen, die Ränder wären viel zu dünn. Es ist eben kein Stoff, sondern Leder. Auftrennen geht schlecht, das Material verzeiht keine Fehler. "Wenn man sich vernäht, ist ein Loch drin und das lässt sich nicht mehr ändern", erklärt die Fachfrau, die gesteht, dass der Nähvorgang die meisten Nerven kostet.

Während sie den Zuschnitt schon mal auf dem Wohnzimmerboden erledigt, wo die fünfjährige Paula und die sechsjährige Rosa dabei sein dürfen, begibt sie sich zum Nähen ausschließlich in ihr kleines Werkstattzimmer, wo die robusten alten Pfaff-Maschinen warten. "Ich brauche dann absolute Ruhe." Jeder Stich muss sitzen, das ist ihr ganzer Stolz. "Und wenn die Tasche dann fertig ist, freu ich mich, wie schön sie wieder geworden ist."

Als gelernte Damenschneiderin hat Seeler die akkurate Verarbeitung von der Pike auf gelernt. Der Zufall wollte es, dass sie ihre Ausbildung in einer hippen Münchner Lederschneiderei anfing, wo sich Promis ihre Krokodiljacken für 5000 Mark maßanfertigen ließen und auch Barmann Charles Schumann und Zauberer David Copperfield gern verkehrten. Dem Leder ist sie treu geblieben. "Ich bin eine Handwerkerin, feine Stoffe wie Tüll und Seide wären nichts für mich."

Maureen Seeler verkauft ihre Modelle in Anlehnung an ihren Mädchennamen unter dem Label "mo Maureen Linhart" entweder im Direktvertrieb oder auf Kunsthandwerkerausstellungen wie bei Anne Becker in Beuerberg oder dem "Bunterkunst"-Markt in Geretsried. Ihre Manufaktur zu finden, sei manchmal schwierig, räumt sie ein, schon lange habe sie sich vorgenommen, eine eigene Webseite mit Online-Shop auf die Beine zu stellen. Zuletzt haben ihr die Kinder wenig Zeit gelassen.

Sie verlangt zwischen 190 und 400 Euro für eine Tasche. Bis jetzt habe sie sich nie für den Preis rechtfertigen müssen. "Wem meine Taschen gefallen, der sieht gleich, wie hochwertig und langlebig sie gearbeitet sind." Nicht nur das teure Rohmaterial, auch der Aufwand bei der Herstellung bestimmt den Preis. Zwischen vier und zehn Stunden braucht sie je nach Modell. Ihren Stundenlohn kalkuliert Seeler mit bescheidenen 20 Euro.

"Eigentlich bin ich zu billig", sagt sie, aber sie wolle nicht, dass die Tasche zu teuer wird. Aus dem gleichen Grund verkauft sie ihre Arbeiten auch nicht über Boutiquen. "Dann würden sie leicht das Doppelte kosten."

© SZ vom 10.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: