Was für ein Kontrast zu den Ereignissen in Biberach: Während die Grünen dort ihren Politischen Aschermittwoch wegen allzu aggressiver Landwirte absagen mussten, diskutierten die Kontrahenten in Schäftlarn friedlich und konstruktiv miteinander.
Das Gewölbe des Schäftlarner Bräustüberls ist an diesem Mittwochabend proppenvoll. Hinten, an der Wand mit Gamskrucken und Jagdflinten, haben sich die Landwirte versammelt, vorn, in der Nähe des Ausgangs, die Mitglieder der Grünen. Dazwischen Susanna Tausendfreund, seit zehn Jahren Pullacher Bürgermeisterin, und die grüne Landtagsabgeordnete Claudia Köhler.
Die Bauern, die spontan bis aus Widdersberg in der Nähe von Andechs nach Schäftlarn gekommen sind, haben ihre Traktoren an prominenter Stelle vor dem Lokal geparkt. Spontan werden sie von den Grünen-Politikerinnen zum Dialog eingeladen. "Wir sind Demokraten", betont Köhler, "und ich bin auch dafür, dass die Leute rausgehen und protestieren, erst recht in kleinen Orten. Der Öffentlichkeit ist viel mehr Wahrheit zuzumuten."
Die Wahrheit aus Sicht der Bauern kommt postwendend. "Wir haben geschluckt und geschluckt, und jetzt müssen wir's umsetzen", beschwert sich einer. "Beim Stallbau zwei Zentimeter da und zwei Zentimeter dort." Für die Landwirte sei das Maß voll. Die Regierung finanziere Photovoltaikanlagen im Kongo, während hierzulande alles teurer werde. "Es kimmt immer mehr von oben runter", sagt der Mann, der nicht namentlich genannt werden möchte, "für die ganze Welt hat man Geld, nur für die eigenen Leute nicht."
Auch dass Milliarden in die Unterstützung der Ukraine fließen, wird kritisiert. "Ich will nicht, dass Putin Schritt für Schritt weiterkommt", erwidert Claudia Köhler, "ich bin dafür, ihn in die Schranken zu weisen. Deutschland hat sich zu lange einen schlanken Fuß gemacht."
In den folgenden zwei Stunden entspinnt sich ein Schlagabtausch, der so aufschlussreich wie konstruktiv ist. Die Landwirte wiederholen vieles, was in den vergangenen Wochen bereits gesagt wurde, über allem die aus ihrer Sicht oktroyierten Regelwerke: "Ein Haufen Papier und Schreibkram", wie es ein Widdersberger Bauer formuliert. Susanna Tausendfreund sagt: "Ich verstehe schon, dass das das Fass zum Überlaufen gebracht hat." Sie berichtet von den Neurieder und Pullacher Plänen, im Forstenrieder Park auf gemeindefreiem Gebiet Windräder zu errichten. "Die Finanzierung ist gesichert, 2026 können wir mit der Einspeisung beginnen." Doch nach Tausendfreunds Ausführungen ist man schnell wieder beim Thema Agrarpolitik.
Köhler zeigt sich offen für die Kritik. Sie verstehe, so sagt sie, dass die Agrardiesel-Besteuerung eine unverhältnismäßige Belastung für die Landwirte sei. Doch viele Probleme, mit denen sich die Ampelregierung beschäftigen müsse, basierten auf Fehlentscheidungen von Vorgänger-Regierungen. Zum Appell eines Bauern, seinem Berufsstand mehr Entscheidungsspielräume zu lassen, sagt Köhler: "Mit mehr Freiwilligkeit hätten wir noch FCKW in den Kühlschränken und keinen Katalysator."
Der Ärger der Bauern richtet sich auch auf die Energiepolitik. Vielerorts sei es aufgrund mangelnder Leitungskapazitäten gar nicht möglich, Solarstrom in großem Umfang einzuspeisen, sagen sie. Und: "Es gibt immer mehr Freiflächenanlagen, da werden wertvolle Freiflächen zugebaut, auch ökologisch ist das fragwürdig."
Als die Diskussion auf die Lebensmittelpreise umschwenkt, schaltet sich ein weiterer Landwirt ein, der anmerkt, es gebe "keinen preissensibleren Menschen als den Deutschen". Es seien auch die Verbraucher gefragt, die Bauern zu unterstützen; sie dürften eben nicht statt der zwei Euro teuren deutschen Gurke die halb so teure spanische Gurke bevorzugen. Dem stimmt der Schäftlarner Bioladen-Betreiber Bernd Büttner, der für die Grünen im Gemeinderat sitzt, zu.
Bei allen Meinungsverschiedenheiten bleiben die Gespräche dennoch konstruktiv. "Danke, dass wir haben reinkommen dürfen", sagt ein Gast. "Wir sind als Landwirte immer die Bösen." Büttner reagiert mit positivem Zuspruch; die Gesellschaft brauche die Bauern. "Ohne euch ist das alles unmöglich. Es geht nur gemeinsam." Schließlich lädt Köhler die Anwesenden ein, zu ihr in den Landtag zu kommen, was bereitwillig angenommen wird. Zum Abschied tauscht man Kontaktdaten aus.